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Energie

Kommunaler Steag-Umbau ist zu riskant

Von Evonik Steag GmbH und RWE Power AG betriebenes Kraftwerk am Datteln-Hamm-Kanal in Bergkamen, Ruhr

Die Evonik Steag GmbH ist die Energiesparte des Evonik-Konzerns, der früheren, alten Ruhrkohle AG (RAG). Sie betreibt neun Steinkohle- und zwei Raffinieriekraftwerke (=Öl) in Deutschland. Hinzu kommen drei lukrative Kraftwerke in Kolumbien, auf den Philippinen und insbesondere in der Türkei. Seit 2002 gehört die Steag vollständig zu RAG/Evonik, nachdem damals die übrigen Anteile von der RWE AG und E.ON AG erworben worden waren. Und jetzt stellt die Evonik AG eine 51%-ige Beteiligung an der Steag zum Verkauf.

Kommunales Konsortium findet Goldesel?
Und wieder einmal findet sich ein Konsortium kommunaler Stadtwerke der Metropole Ruhr zusammen und bietet auf den Koloss: Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Oberhausen, Herne, Dinslaken und – als Exot und inzwischen ausgeschieden – Saarbrücken. Und der Kauf des Kraftwerksriesens klingt auch verlockend, denn es wird zum einen eine Rendite von 8 bis 9 Prozent aufs eingesetzte Kapital erwartet. Zum anderen können die kommunalen Energieverteiler ihre Strategie fortsetzen, selber Strom erzeugen statt nur zu verteilen. Daher erfolgt in ähnlicher Konstellation bereits der Einstieg bei einem RWE-Kohlekraftwerk in Hamm. Das Ziel ist, die Wertschöpfungskette zu verlängern, d. h., nicht nur bei der Verteilung auch bei der Produktion von Strom Geld zu verdienen. Und die kommunalen Versorger im Besitz ihrer Städte benötigen das Geld, denn reihum sind sie gefordert höhere Gewinne und Konzessionsangaben an ihre Eigentümer abzuführen, denn bei denen fehlt es immens an Geld. Da kommt es passend, dass ein Erwerb sich über einige Jahre aus der Rendite selber finanzieren ließe, ggf. stehen noch günstige kommunale Kreditlinien zur Verfügung, die Marge zwischen Kreditzins und Rendite weiter erhöhen. Aber so tief lässt sich da derzeit nicht hineinschauen.

Von Evonik Steag GmbH und RWE Power AG betriebenes Kraftwerk am Datteln-Hamm-Kanal in Bergkamen, Ruhr

Erhebliche Risiken
Aber diese cash cow – neudeutsch: Goldesel – birgt auch Risiken. Ich bin stets skeptisch, ob so eine Gesellschaft mit 4.700 Mitarbeitern sich über kommunale Strukturen – in mittelbaren Beteiligungen verstrickt – überhaupt hinreichend steuern lässt. Den desaströsen Erwerb des Nürnberger Spezialtiefbauunternehmens Brochier mit weit über 1.000 Mitarbeitern über die Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet mbH (AGR), einer 100%-igen Tochter des Regionalverbands Ruhr (RVR), habe ich da in Erinnerung. Aus den Kommunen werden jeweils die (Ober-)Bürgermeister und eine Hand voll Ratsmitglieder den Aufsichtsrat bilden. Für diese wird das persönlich lukrativ sein, aber werden Sie den Koloss rein wirtschaftlich betreiben oder nach weiteren strategischen Gesichtspunkten? Das erste wäre ja schon mal was.

Internationale Aktivitäten sind zu riskant für Kommunen
Schaue ich mir diesen internationalen Stromerzeugungsgiganten mal an. Ist es Aufgabe der Kommunen, Kraftwerke in anderen Ländern zu betreiben? Es handelt sich nicht einmal um benachbarte Länder. Interessieren tut da eigentlich nur, dass gutes Geld reinkommt. Ich halte nichts davon: Kommunale Akteure sind bei der dauerhaften Steuerung ausländischer Gesellschaften überfordert. Hierbei handelt es sich um riskante Geschäfte außerhalb der eigenen Wahrnehmungssphäre. Wieder fällt mir die AGR ein, bei der über Jahre auch auf Wunsch der damaligen rot-grünen Landesregierung Auslandsbeteiligungen bis nach Japan zusammengekauft worden waren. Die AGR hätte zum internationalen Müllkonzern ausgebaut werden sollen. An den Verlusten die das Eigenkapital knackt die AGR noch heute. Früher lieferte sie jährlich Millionen an den kleinen Haushalt des RVR ab, heute fließt nichts mehr. Gott sei Dank ist zu erwarten, dass die AGR sich wieder von alleine berappelt. Aber aus diesen Vorgängen sollt man doch mal lernen. Doch wäre die Rendite ohne die Auslandsbeteiligungen noch so hoch?

Der rot-grüne Traum vom eigenen Versorgerkonzern
Ich befürchte, es wird nichts dazu gelernt. Wieder regiert Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. Der Traum ist entstanden, anstatt einen internationalen, innovationen Müllkonzern zusammenzukaufen diesmal einen internationalen, innovativen Energiekonzern zu bauen, ja dafür die Steag umzubauen. Und der Umbau ist nötig und riskant. Die deutschen Kraftwerke sind ja keine modernen, effizienten Kraftwerke sondern ältere Schätzchen mit Restlaufzeiten. Diese gilt es durch neuere, effizientere Kraftwerke möglichst mit Kraftwärmekoppelung zu ersetzen. Unverständlich ist die Zustimmung der Grünen zum Erwerb der Steag. Sie setzen sich für den Erwerb alter Kohlekraftwerke ein, die angesichts CO2-Emissionshandel und fortschreitender strengerer Regulierungen beim Schadstoffsausstoss bereits aus wirtschaftlichen Erwägungen vom Netz müssen. Datteln I-III und IV lassen grüßen. Dahinter stehen auch europäische und bundesdeutsche Vorgabe. Interessant wird dann eine Konfliktlage, bei der veränderte Rahmenbedingungen der schwarz-gelben Bundesregierungen den Grünen nicht weit genug gehen, aber Vorort erheblichen Einfluss auf den eigenen Stromkonzern haben sollten.

Und weil dennoch einigen Grünen bewusst ist, dass der Konzern mit den alten Stinkern umgebaut werden muss, wird bei der Diskussion im Vorfeld der notwendigen Ratsbeschlüsse ein Umbaukonzept gefordert. Dies ist erst recht riskant und verändert die Erwartung von 8 bis 9 Prozent Rendite. Um das nochmal klar zu machen: Gerade Vertreter der SPD führen an, dass sich die Rendite auf lange Sicht lohnt. Diese wird aber gerade durch den zeitgleich geforderten Umbau gefährdet. Der Wirtschaftlichkeitsrechnung, die ich nicht kenne, wird damit der Boden entzogen. Zudem ist der Umbau ja nicht durch wirtschaftliche Erwägungen motiviert sondern durch politische. Es soll ein Umbau zu einem Energielieferanten auf Basis regenerativer Energien erfolgen. Der gleiche Wahn wie seinerzeit beim Müllkonzern AGR. Dazu passt auch gleich einmal das Gerücht, dass beim grünen Landesumweltminister Remmel bereits grüne Kandidaten für Geschäftsführerfunktionen bei der Steag vorsprechen würden.

Der Traum einer modernen Steag 2020, und dann?
Male ich den Traum doch mal aus: Die Metropole Ruhr wird als neues Dekadenprojekt eine Weltausstellung Expo für Klimaschutz und Umwelt ausrichten. Auf dem Weg dahin wird sie 2015 Europäische Umwelthauptstadt und entwickelt über ihre Stadtwerke und den regionalen Energieerzeuger Steag mit Hilfe von Fördergeldern hübsche umweltfreundliche Konzepte. Die Stadtwerke liefern fröhlich Projekte und Geld an ihre Städte ab. Die Steag wird Vorzeigestromerzeuger. Aber leider wird dann nach 2020 festgestellte, dass viele Projekte politisch motivierte Blasen sind, die sich nicht rechnen. Bis dahin wird aber auch kein Geld von der Steag an ihre Eigentümer geflossen sein, denn mit den Gewinnen, die über die Stromrechnung der Bürger zusammengetragen werden, werden noch immer die Kredite für den Kauf des Konzerns bedient. Das läuft so wie beim Erwerb von 80% an der Gelsenwasser AG durch die Städte Bochum und Dortmund. Für die Kommunen und Bürger kommt dabei nichts raus. Allenfalls für ein paar Kommunalpolitiker und politisch zuverlässige ein paar gut bezahlte Posten. Der Traum kippt dann leicht zum Alptraum, wenn man nicht rechtzeitig aufwacht.

Chancen und Risiken, aber nichts dazugelernt
Es gibt sicher auch Chancen beim Erwerb der Steag. Mögliche Gewinne in der Zukunft gehören dazu und die Anhäufung von Kapital quasi von selbst gehören dazu. Nett ist sicher auch die Perspektive, die Umerziehung zum sozialistischen Menschen, äh – den Umbau zur umweltfreundlichen Energieerzeugung voranzutreiben. Die Kommunen sind dafür aber die falschen, überforderten Akteure. Geeignetere Instrumente und Akteure gibt es da auf Bundesebene und europäischer Ebene. Dort werden die Marktregeln für alle gesetzt und nicht nur bei hohem wirtschaftlichen Risiko für ein Unternehmen allein. Die langfristigen Risiken überwiegen und ich bedaure, dass politische Entscheidungsträger nicht aus gescheiterten Operationen ähnlicher Art lernen. Ist denn die Sehnsucht nach einem neuen Versorgungsinstrument VEW so groß, dass sie blind macht? Passt so ein Kauf trotz Machbarkeit in die Landschaft der defizitären und von Überschuldung bedrohten kommunalen Haushalte?


Linkliste
WAZ Essen: Steag-Kauf soll Stadtwerke-Erlös nicht schmälern (Wolfgang Kintscher, 18.11.2010)

Rheinische Post I: Stadtwerke wollen Versorger Steag kaufen (Antje Höning, Thomas Reisener, 09.11.2010)

Rheinische Post II: Duisburg: SPD für Steag-Kauf (17.11.2010)

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