Das Starkregen-Ereignis und die daraus resultierende Hochwasserlage im Juli 2021 waren in vielen Teilen von NRW dramatisch und haben zu zahlreichen Todesopfern und hohen Sachschäden geführt. Auch an Emscher und Lippe gab es zum Teil heftige Niederschläge. Nach detaillierten Analysen der Niederschlagssituation in den Verbandsgebieten zeigten erste Ergebnisse, dass es – bei gleichen Regenmengen wie zum Beispiel in Hagen – auch im Emscher-Lippe-Gebiet zu erheblichen Schäden gekommen wäre. Die Aufsichtsratsvorsitzenden von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV), Dr. Frank Dudda (EG) und Bodo Klimpel (LV), haben mit den Aufsichtsgremien den Vorstand der beiden Verbände im vergangenen Oktober beauftragt, Maßnahmen zur Erhöhung der Hochwassersicherheit zu entwickeln. Die Roadmap Krisenhochwasser liegt nun vor: Sie umfasst einen Zeitraum von 15 Jahren und sieht bis 2037 Investitionen von maximal 500 Millionen Euro vor.
Mit der nun vorliegenden und von den Gremien beider Verbände verabschiedeten „Roadmap Krisenhochwasser“ wird der Rahmen für die Verbesserung des Hochwasserschutzes in den Verbandsgebieten dargestellt. Für eine effiziente Umsetzung wurde ein Maßnahmenprogramm in fünf Aktionsfeldern entwickelt. „Der Plan sieht eine abgestimmte, parallele Bearbeitung in allen Aktionsfeldern vor, wodurch sich die Hochwassersicherheit in den Kommunen sukzessive erhöhen wird“, sagt Dr. Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft und Oberbürgermeister der Stadt Herne.
Die der Roadmap zugrunde liegende Planung des Hochwasserschutzes über kommunale Grenzen hinweg ist eine der Lehren aus dem Starkregen- und Hochwasserereignis vom 14. Juli 2021. „Dieser Fahrplan wird die Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Krisenstäben in unserer Region befördern und damit beispielgebend für einen ganzheitlichen Hochwasserschutz und die regionale Klimafolgenanpassung sein“, sagt Bodo Klimpel, Ratsvorsitzender des Lippeverbandes und Landrat des Kreises Recklinghausen.
„Hochwasserschutz ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe, alle müssen Vorsorge leisten – einen absoluten Schutz gibt es jedoch nicht. Unser Vorgehen ermöglicht eine substanzielle Verbesserung des Hochwasserschutzes und will gemeinsam mit unseren kommunalen Partnern Hochwasser- und Starkregenprävention verbinden“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von EGLV.
„Die Wasserwirtschaft an Emscher und Lippe hält heute bereits alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Mit der Roadmap gehen wir nun noch weiter und verbessern den Hochwasserschutz, um noch besser auf Extremereignisse vorbereitet zu sein“, sagt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand von EGLV.
Fünf Aktionsfelder
Zur Stärkung der Resilienz im Klimawandel decken fünf Aktionsfelder alle notwendigen Handlungsfelder der Roadmap Krisenhochwasser ab:
1) Schaffung zusätzlicher Retentionsräume
Wenn die Hochwasserwelle an geeigneter Stelle zurückgehalten werden kann, steht weniger Wasser für die Überflutung vulnerabler Bereiche zur Verfügung – Schäden können gemindert oder gar ganz verhindert werden.
Beispiel:
Emscher-Auen herstellen
Zwischen Dortmund und Recklinghausen fließt die Emscher tief eingeschnitten. Wenn die Auenbereiche auf die Geländehöhe der Emscher gebracht werden, stünde über eine Million m³ Retentionsvolumen zur Verfügung. Es handelt sich hier um unbebaute Flächen, die zum Großteil der Emschergenossenschaft gehören. Diese Maßnahme dämpft nicht nur die Hochwasserwelle, sondern senkt auch die Überflutungsgefahr.
2) Anpassung an Extremereignisse
Extrem-Hochwasserereignisse können die Leistungsfähigkeit der Schutzmaßnahmen übersteigen. Auch auf diesen Fall sollen die Hochwasserschutzanlagen angepasst sein, um ein Totalversagen mit großen Schäden zu vermeiden.
Beispiel:
Deichertüchtigungsprogramm zur Verbesserung des Hochwasserschutzes nutzen
Die Emschergenossenschaft führt gegenwärtig ein Deichertüchtigungsproramm an der Emscher durch, das auch auf ihre Nebenläufe ausgeweitet wird. Im Zuge dieser Baumaßnahmen werden die Deiche um einen Klimafolgenzuschlag von 20 cm auf die Bemessungswasserspiegellage erhöht.
3) Hochwasserwarnung – Next Level
Die Zunahme von Starkregen führt dazu, dass Hochwasserereignisse immer schneller eintreten. Aus diesem Grund machen EGLV ihre Hochwasservorhersage schneller, dehnen sie von Emscher und Lippe auf weitere Nebenläufe und Pumpwerke aus und erweitern dafür auch das Pegel-Messnetz.
Beispiel:
Pegelnetz an Nebengewässern ausbauen
Um für die Nebenläufe Hochwasserwarnungen abgeben zu können, muss auch der aktuelle Abfluss und Wasserstand bekannt sein, deshalb werden 30 zusätzliche Pegel im EGLV-Gebiet gebaut.
4) Stärkung von Kommunikation und Kooperation
Hochwasser-Vorsorge und -Bewältigung sind eine Gemeinschaftsaufgabe mit verteilten Zuständigkeiten. EGLV werden die gemeinsame Kommunikation mit ihren Partnern verbessern und bei der Realisierung von Risikomanagement-Projekten unterstützen. Dazu werden die Verbände z. B. die Hochwasservorhersage-Informationen auf einem Portal für die Mitglieder und Träger öffentlicher Belange bereitstellen.
Beispiel:
Aufbau einer gemeinsamen Kommunikationsplattform
In zahlreichen Workshops mit den kommunalen und den gewerblichen Mitgliedern von EGLV wurde festgestellt, dass eine gemeinsame Plattform für einen standardisierten Informationsaustausch im Hochwasserfall erforderlich ist. EGLV werden die Plattform aufbauen und betreiben. Anwender werden neben EGLV und ihren Mitgliedern die Wasserbehörden und Katastrophenschutzbehörden sein. Die Anwendung wird in gemeinsamen Krisenstabsübungen trainiert.
5) Politischer Rahmen
Neben der Erarbeitung der „Roadmap Krisenhochwasser“ haben sich EGLV an zahlreichen Initiativen der wasserwirtschaftlichen Interessenvertretungen beteiligt (DWA, VKU, BDEW, AÖW, agw etc.) und sich vor allem für die folgenden Punkte stark gemacht:
- Ausweisung von Notfallpoldern und potentiell gefährdeten Gebieten in der Regionalplanung
- Beschleunigte Genehmigungsverfahren, vor allem bei No-Regret-Maßnahmen
- „Klimawandelzuschlag“ für Deichhöhen einplanen
- Höhere Hürden zur Hochwassersicherheit von Neubaugebieten einführen (über ein hundertjähriges Hochwasserereignis hinaus)
Bis Herbst 2022 werden EGLV ihren Aufsichtsgremien verbindliche Kosten für die wichtigsten priorisierten Projekte vorlegen. Die Priorisierung der Maßnahmen erfolgt unter Berücksichtigung der Effekte für den Hochwasserschutz, der Realisierungschance und des Zeit- und Kostenrahmens.
Weitere Informationen entnehmen Sie der Roadmap Krisenhochwasser.
Die Emschergenossenschaft und der Lippeverband (EGLV)
Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) sind öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen, die als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip leben. Die Aufgaben der 1899 gegründeten Emschergenossenschaft sind unter anderem die Unterhaltung der Emscher, die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie der Hochwasserschutz. Der 1926 gegründete Lippeverband bewirtschaftet das Flusseinzugsgebiet der Lippe im nördlichen Ruhrgebiet und baute unter anderem den Lippe-Zufluss Seseke naturnah um. Gemeinsam haben Emschergenossenschaft und Lippeverband rund 1.700 Beschäftigte und sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen (rund 740 Kilometer Wasserläufe, rund 1320 Kilometer Abwasserkanäle, mehr als 500 Pumpwerke und fast 60 Kläranlagen). www.eglv.de
Quelle und Bildrechte: Emschergenossenschaft/ Lippeverband