„Werden wir im Winter frieren?“, fragte jemand aus dem Publikum. Dietmar Spohn, Sprecher der Geschäftsführung bei den Bochumer Stadtwerken, legte sich fest: „Frieren im November? Nein! Wir werden alles dafür tun, dass die Mieter nicht frieren.“ Angesichts der Gesetzmäßigkeiten beim Notfallplan Gas konnte er mit vergleichbaren Garantien für den Industriebereich nicht aufwarten. Die Lage ist dramatisch, die Aussichten sind ungewiss.
Im Bochumer Kunstmuseum stand bei einer öffentlichen Fraktionssitzung der CDU-Ratsfraktion die Energieversorgung und die Preisentwicklung in der Branche angesichts des Ukraine-Krieges und der Rolle Russlands bei der Gasversorgung im Mittelpunkt. Professor Rolf Bracke, Institutsleiter des Fraunhofer IEG und Inhaber des Lehrstuhls für Geothermische Energiesysteme an der Ruhr-Universität Bochum, sprach von „wilden Zeiten, die wir aus Sicht der Wissenschaft so nicht erwartet hätten“. Hans-Peter Villis, früher Chief Executive Officer der EnBW und heute als Freelancer in der Energiebranche tätig, eröffnete eine ganz andere Perspektive: Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung werde die Versorgungsproblematik noch einmal eine andere Dynamik bekommen. Neun Milliarden Erdenbürger in fünf Jahren werden Anforderungen stellen – und „Wohlstand braucht Energie“.
Dietmar Spohn aus der Stadtwerke-Geschäftsführung äußerte sich ausführlich zur Sorge um den Ausfall der Gasversorgung im Zuge des Krieges. 29 Prozent des Energiebedarfs in Deutschland würden durch Erdgas gedeckt, die Hälfte davon käme über drei Pipelines aus Russland. Bei einer totalen Versorgungsunterbrechung durch Russland, so Spohn, käme Deutschland über den Sommer. Darüberhinausgehende Versprechungen wollte er nicht anbieten. Auch ein Embargo gegenüber Russland hätte erhebliche Auswirkungen. „Es gibt alternative Möglichkeiten“, sagte Spohn. Allerdings würde es zwei bis vier Jahre dauern, alles auf den Weg zu bringen. Natürlich könne man die Produktion erhöhen, etwa in Norwegen. Die Kapazitäten freilich seien begrenzt. Spohn ist Leiter des Krisenstabs in seinem Unternehmen und beteuerte angesichts der derzeitigen exorbitanten Preissteigerungen: „Wir bereiten uns vor.“ Permanent überwache man die Liquidität der Stadtwerke – ein Vorgang, den man so bisher nicht kannte.
Der Bochumer Geothermie-Experte Prof. Dr. Rolf Bracke betonte, dass der Wasserstoff in Zukunft zentrale Aufgaben werde übernehmen müssen. Bei der Solarenergie sei man eigentlich erst am Anfang. Außerdem: „Das Problem ist, dass wir dafür Platz brauchen. Wo kann das im Ballungsraum Bochum passieren?“ Wenig überraschend nannte Bracke die Erdwärme als Option. Ein entsprechendes Pilotprojekt in München mache Hoffnung, und die Übertragbarkeit in andere Regionen sei gegeben: „Wir sehen fürs Ruhrgebiet durchaus eine Chance bei der Tiefen-Geothermie.“ Und dann wies Prof. Bracke noch darauf hin, dass die Bochumer Stadtwerke dabei seien, zusammen mit vier anderen Stadtwerken aus der Region die Entwicklung der Geothermie voranzutreiben.
Hans-Peter Villis, seit jeher bekannt als Verfechter der Kernenergie, erinnerte an seine Verhandlungen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit dem sogenannten Energiepolitischen Appell, in dem sich die deutschen Energiekonzerne für 2010 für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke starkgemacht hatten. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima und dem folgenden Paradigmenwechsel der Bundesregierung waren alle diesbezüglichen Überlegungen Makulatur. Im Kunstmuseum betonte Villis, wie wichtig in Deutschland der Faktor Akzeptanz sei; die für Kernenergie sei bei uns jedenfalls nicht mehr gegeben. Und worauf setzt der Energiemanager heute? Villis erwähnt Photovoltaik und Wärmepumpen, sagt aber vor allem: „Wir brauchen einen gesunden Energie-Mix, brauchen pfiffige Modelle.“
Quelle: Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Bochum