Die heilige Gertrud ist die Patronin der Wattenscheider Propsteikirche St. Gertrund und der gleichnamigen katholischen Kirchengemeinde. Als Stadtheilige zierte sie bis 1937 das Wappenschild der Stadt, dann wurde sie von den Nazis aus der Darstellung verbannt. Dennoch findet sich das vollständige Wappen noch recht häufig auf Darstellungen, auch an Nachkriegsfassaden im Stadtgebiet. Im benachbarten Bochum findet sich so auch häufig noch die alte Darstellung des Bochumer Stadtwappens mit den drei preußischen Zinnen, die nicht auf eine dort nie vorhandene Stadtmauer verwiesen.
Seit 1957/58 besteht eine Verbindung zwischen Wattenscheid und Nivelles, dessen Kathedrale (La Collegiale, Stiftskirche) von „den Deutschen“ zerbombt in Trümmern lag. Wattenscheider Pilger nehmen an der alljährlichen Prozession mit dem Schrein der Heiligen um die Stadt in wallonisch Brabant teil. Das wurde immer als Zeichen der Völkerverständigung gesehen und war damas nicht so selbstverständlich wie heute, wo sich in der 1984 wieder hergestellten Kathedrale im Chor neben der Fahne der Stadt Nivelles auch die der Stadt Wattenscheid anfindet.
Die Schutzheilige der Reisenden und Seefahrer zog auch diese Jahre wieder etwa 35 Wattenscheider nach Nivelles, wo die Heilige einst wirkte. Die meisten hatten den vom Komitee Sankt Gertrud organisierten Bus genommen. Einige wie Heinz Kessler vom Heimat- und Bürgerverein Wattenscheid sowie meine Frau und ich waren aufgrund anderer terminliche Verpflichtungen mit dem eigenen Auto angereist. Wir erreichten noch die Messe am Vorabend.
Prozession durch und um Nivelles herum
Die Prozession beginnt morgens mit einer Messe, anschließend wird der neue Schrein mit den Gebeinen der Heiligen und Elementen des historischen, zerbombten Schreins auf einer Kutsche mit starken Brauereipferden davor vor die Stadt und dann rundherum gekarrt. Dabei geht es nicht nur über Wege und Straßen, sondern auch querfeldein. Hunderte von Pilger hinterher. Es werden auch immer mehr, je heller es wird.
Dieses Jahr gab es besondere Strapazen. Es gab zwar nur ein paar Regentropfen, aber der Regen vor der Prozession hat die abgeernteten Äcker um Nivelles in Matsch verwandelt. Der Pferdewagen gab gerade bergauf nur langsam und mit vielen Pausen für die sechs Pferde voran. Die Pilger blieben im Matsch stecken, einige verloren ihre Schuhe oder die Sohlen lösten sich im Matsch. Am Ende hatte der Zug eine Stunde Verspätung. Aber das ist kein Ärgernis, denn alle nehmen das Erlebnis als kleine Abenteuer. Der Weg zur Erlösung von Sünden soll ja auch kein einfacher sein.
Nach einer Pause endet der Tag mit einem feierlichen, mittelalterlich gestalteten Festumzug durch die Altstadt von Nivelles. In diesen Zug reiht sich auch die Wattenscheider Delegation und die weiterer Gertrudenpilger ein. Die Prozession endet in der Kathedrale, wo erneut eine Messe stattfindet. Die Prozession findet jeweils am Tag des heiligen Michaels statt, falls dieser ein Sonntag ist, oder am Sonntag danach. In 2015 wird diese der 4. Oktober sein. Der Tag der Heiligen Gertrud ist der 17. März, an der sich der Termin der Gertrudiskirmes in Wattenscheid orientiert.
Bemerkenswerterweise fanden wir auf der Rückreise über Maastricht noch das kleine Örtchen Sint Geertruid. So begleitet einen die Stadtheilige.
André Weinhold
8. Oktober 2014 at 20:23
Hallo Dirk,
sehr schön und informativ beschrieben!