Unkritisch berichtet in der morgigen WAZ-Ausgabe Essen Hans-Karl Reintjens über die von Dezernenten und Stadtspitzen vorangetriebene Gründung eines Zweckverbandes, um sich als „Grüne Hauptstadt Europas“ zu bewerben. Dem WAZ-Journalisten ist offenbar nicht aufgefallen, dass in Essen an der Kronprinzenstraße 35 der Regionalverband Ruhr (RVR) seinen Sitz hat. Liegt die Frage nicht auf der Hand, warum dieser nicht die Bewerbung starten und ggf. abwickeln könne? So müsste seine Artikelüberschrift vollständig heißen „Bewerbung ohne Bannerträger und RVR“.
Sachlich und mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbare Parallelstruktur
Es lässt sich sachlich nicht darstellen, dass die „Metropole Ruhr“ zwecks Bewerbung als Europäische Umwelthauptstadt einen neuen Zweckverband gründen muss, wo es bereits einen Regionalverband samt Ruhrparlament gibt. Das lässt sich allenfalls juristisch begründen, allerdings konnte mir so nur begründet werden, warum es nicht mit dem RVR gehen könne. Was für einen Zweckverband spricht, was der RVR nicht könne, wird mir bisher nicht klar. Und daher bleibt die politische – und vom gesunden Menschenverstand getragene Frage – wieso einen weiteren Verband gründen? Der wird ja nicht im leeren Raum gegründet, sondern nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftarbeit.
Wie so ein Zweckverband aussieht
So ein Zweckverband bekommt dann eine Verbandsversammlung, parallel zur Verbandsversammlung des RVR. So ein Zweckverband bekommt einen Verbandsrat, parallel zum Verbandsausschuss des RVR. So ein Zweckverband bekommt einen Verbandsvorsteher, parallel zum Vorsitzenden der Verbandsversammlung des RVR und der Regionaldirektorin. Und in die Verbandsversammlung entsenden dann die Mitgliedskommunen aus den Räten und Kreistagen Mitglieder. Gut, das schafft weitere Posten, kann ich mich freuen. Ich bin ja selber Mitglied in der Verbandsversammlung und im Verbandsrat des Abfallwirtschaftsverbandes EKOCity und stellvertretendes Mitglied in der Verbandsversammlung des bekannteren Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR). Einen weiteren Verband, der im Gegensatz zu den vorgenannten EKOCity und VRR jedoch bei den Mitgliedern identisch mit dem RVR ist, diese repräsentiert, ergibt für mich keinen Sinn. Das macht für diejenigen Sinn, die keinen Bannerträger wollen und darunter verstehen, dass sie auch den RVR nicht wollen: Bloß nicht eine zentrale Stelle das machen lassen.
Es sind auch Modelle denkbar, bei denen der Regionalverbands Ruhr, der am Memorandum für die Bewerbung immerhin mitgewirkt hat und auch dazu bereits beschlossen hat, eine Rolle dauerhaft übernimmt. Hier treiben einige eine Politik voran, bei der das Ruhrparlament vor der Tür bleiben muss. Mitspielen unerwünscht!
Und hier tritt auch bereits ein gravierender Unterschied zur Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt auf. Das Bewerbungsbüro befand sich im 2. Stock des Hauptgebäudes des Regionalverbands. Jetzt sehe ich Emails eines Projektbüro irgendwo in der Essener Stadtverwaltung. Ein Verweis auf Olympiabewerbungen, die per Zweckverband erfolgten, hinkt übrigens aufgrund des Teilnehmerkreise und m. E. des Stils. Da waren an zentraler Stelle handelnde Personen der Region bedacht.
Das bisherige Fazit der Posse, die letzte Woche in den Gremien des RVR und jetzt nach und nach in den Kreistagen und Räten der Region gestartet wurde, lautet für mich: Da wollen sich einige profilieren. Diese Profilneurosen stehen dem regionalen Ansatz entgegen – und so auch der Gedanken einer „Metropole Ruhr“. Mal sehen, wo das endet.
Bild: „Vergessen II“ von Pippilotta* / photocase.de
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