„Endlich wird wieder über Themen und nicht über Personen diskutiert!“ bemerkt Ruhrbaron Stefan Laurin bitter ironisch auf Facebook zur Debatte um Nebeneinkünfte des frisch gekürten Kanzlerkandidaten der SPD-Troika Peer Steinbrück. Es wird in der auf die Nominierung folgenden Demontage des SPD-Kanzlerkandidaten 2013 kritisiert, dass er über erhebliche Nebeneinkünfte aus entgeltlichen Vorträgen verfüge, die er pflichtgemäß in Kategorien sortiert und entsprechend den Bestimmungen des Deutschen Bundestags veröffentlicht hat. Die FAZ (Günter Bannas) stellt dazu fest: „Der Vorwurf, der SPD-Kanzlerkandidat habe gegen die Richtlinien des Bundestages verstoßen, wurde von keiner Seite erhoben.“ Der die Diskussion entfachende Vorwurf ist weniger ein rechtlicher Aspekt als ein politischer oder charakterlicher: Lässt sich Peer Steinbrück (SPD) mit Honoraren von Lobbyisten beeinflussen oder nutzt er seinen politischen Einfluss um Geld zu generieren? In welchem Umfang?
In der Diskussion um Steinbrücks Nebeneinkünfte wird jetzt allseits mehr „Transparenz“ gefordert. Dieses sinnentleerte politische Modewort passt zu dieser Forderung, denn die Transparenz-Forderung für derartige Entlohnung wird sich nur eben auf diese erstrecken. Eine Bestandsaufnahme der Leistungen an Politiker wäre zunächst sinnvoller. Ein Überblick zu derartigen Leistungen wird hier nachfolgend gegeben, der jedoch nicht nach den Weber’schen Kategorien Gelegenheitspolitiker, Nebenberufspolitiker und Berufspolitiker unterscheidet. Auch kann hier nicht Sinn und Zweck jeglicher Leistung beurteilt werden, so dass die Aufstellung als wertfrei verstanden werden soll. Manches ist sinnvoll, manches nicht, manches wird gar nicht oder nur von wenigen in Anspruch genommen. Max Weber führte im berühmten Aufsatz „Politik als Beruf“ – den mit der Politik und den dicken Brettern – bereits an, dass Politik entgolten werden muss, wenn nicht nur Vermögende diese ‚als Beruf‘ bertreiben sollen:
Die Politik kann entweder „ehrenamtlich“ und dann von, wie man zu sagen pflegt, „unabhängigen“, d. h. vermögenden Leuten, Rentnern vor allem, geführt werden. Oder aber ihre Führung wird Vermögenslosen zugänglich gemacht, und dann muß sie entgolten werden. Der von der Politik lebende Berufspolitiker kann sein: reiner „Pfründner“ oder besoldeter „Beamter“. Entweder bezieht er dann Einnahmen aus Gebühren und Sporteln für bestimmte Leistungen – Trinkgelder und Bestechungssummen sind nur eine regellose und formell illegale Abart dieser Kategorie von Einkünften –, oder er bezieht ein festes Naturaliendeputat oder Geldgehalt, oder beides nebeneinander. Er kann den Charakter eines „Unternehmers“ annehmen, wie der Kondottiere oder der Amtspächter oder Amtskäufer der Vergangenheit oder wie der amerikanische Boss, der seine Unkosten wie eine Kapitalanlage ansieht, die er durch Ausnutzung seines Einflusses Ertrag bringen läßt. Oder er kann einen festen Lohn beziehen, wie ein Redakteur oder Parteisekretär oder ein moderner Minister oder politischer Beamter. (aus: Politik als Beruf, Max Weber, München und Leipzig 1919)
Eingedenk dessen und ohne Rücksicht auf unterschiedliche Arten von Politikern sowie damit verbundener Aufgaben wird die nachfolgende Liste präsentiert. Aus analytischen Gründen habe ich alles kritisch betrachtet. Bemerkenswert ist auch für mich als Autor, dass ich bereits 12 Kategorien nachstehend aufführen kann, die nicht alle jeden erfreuen werden.
I. Bezüge – Lohn und Gehalt der Abgeordneten
Berufspolitiker, solche die in ein Amt gewählt wurden, dass als Beruf anzusehen ist, also Vollzeit betrieben wird, erhalten Bezüge. Bei Abgeordneten in Landtagen, in Bundestag und Europäischem Parlament ist hier der Teil der Einkünfte gemeint, die für die persönlichen Lebensführung der Abgeordneten und ihre Familien gedacht ist.
II. Aufwandsentschädigungen
Darüber hinaus gibt es Aufwandsentschädigungen, die zweckgebunden in der Verwendung sein müssen, z. B. für eigene Mitarbeiter, aber auch nur allgemein Spesen ersetzen. Letzteres gilt für die meisten Kommunalpolitiker, die zum Beispiel nach der Entschädigungsverordnung des Landes NRW (EntschVO) in Abhängigkeit von Größe der Kommune und Funktion Geld erhalten, um ihren aufgrund der Wahrnehmung erhöhten Lebensaufwand abzudecken. Für Wahlbeamte gibt es neben der zugestandenen Besoldung ähnliche Instrumente.
Teilweise werden derartige Leistungen pauschal, teilweise nach Zahl der wahrgenommenen Sitzungen und teilweise nach einem Mischsystem aus beiden honoriert. Manchmal existieren auch Höchstgrenzen.
In der Regel führt die Wahrnehmung eines derartigen Amts, Ehrenamts oder Mandats zu weiteren Ämtern. Dies kann die Repräsentation der eigenen Körperschaft oder Institution bei oder in anderen Verbänden betreffen, insbesondere in Verwaltungs- und Aufsichtsräten. Diese Tätigkeit wird wieder mit Aufwandsentschädigungen honoriert, die nach Größe der Institution und dort wahrgenommenem Amt variieren. Die Einkünfte dieser Aufwandsentschädigungen kumulieren sich. Bedeutende wichtige Ämter in bedeutenden Institutionen bringen oft sogar weitere Leistungen mit sich. Großstädte haben zum Teil mehr als 100 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, von denen jedoch nicht alle über entsprechende Aufsichtsgremien verfügen.
Zu den Aufwandsentschädigungen kommen dann meist noch Reisekosten, ggf. auch pauschal erstattete. Dann gibt es noch den Verdienstausfall, der erstattet wird. Hausfrauen und Hausmänner bekommen ggf. Geld, da sie den Haushalt nicht betreuen konnten. Eine benötigte Kinderbetreuung wird auch erstattet.
Zudem sind Politiker bei der Mandatsausübung versichert.
III. Auslagenerstattung
Diese zweckgebundenen Aufwandsentschädigungen sind schon im Übergang zu Auslagen, die gegen Nachweis erstattet werden. Das könne Kosten sein, die zum Beispiel durch die Reise zu einem auswärtigen Termin angefallen sind. Teilweise gibt es hier Ersatz für Mahlzeiten eine Art Tagegeld, Hotelzimmer werden erstattet.
Mit der Umstellung auf papierlose Dokumentenbearbeitung und -zustellung gibt es auch Erstatz für Papier, Druck, Internetanschluss und angeschaffte Geräte. Auch anwaltliche Vertretung kann u. U. erstattungsfähig sein.
IV. Nebeneinkünfte & Honorare
Einige der Aufwandsentschädigungen unter II. könnten auch hier zu den Honoraren passen, aber auch zeitlich versetzt die „nachlaufenden Leistungen“ aus XII. Vielfach führt die politische Tätigkeit insgesamt oder eine spezielle dazu, dass der Politiker als Referent oder Redner auftritt. Das kann unentgeltlich erfolgen. Ich gehe davon aus, dass dies auch überwiegend der Fall ist. Jedoch erfolgt dies gelegentlich auch entgeltlich – bei einigen mehr, bei anderen weniger. Ausnahmen haben einen Vertrag mit einer Künstleragentur, die nachlaufend Rechnungen zusendet. [Einfach nicht bezahlen!] Die Themen von Reden, Referaten, Vorträgen, Aufsätzen, Artikeln und Grußworten können auf ein Politikfeld gerichtet sein oder die politische Arbeit im Allgemeinen. Firmen, Bildungswerke, politische Stiftungen und einige staatliche Förderprogramme verfügen über Mittel hierfür. Das jeweilige Engagement muss stets im Rahmen der Tätigkeit der Institution betrachtet werden. Es bringt dem Politiker oft auch Renommee.
Auch können Leistungen als Berater oder quasi als Lobbyist bei bestehender Nachfrage direkt eingeworben werden. Abgesehen davon können insbesondere bei freiberuflichen Tätigkeiten als indirekter Effekt einer Mandatswahrnehmung gesteigerte Einnahmen erwartet werden – ein Prominenzbonus. Oft wird dies auch überschätzt. Diese Effekte können auch zur Kategorie „VII. Begünstigungen“ gehören.
V. Geldwerte Leistungen, Essen & Deputate
Das Arbeitsfrühstück, das gemeinsame Mittagessen oder Buffet zur Abendveranstaltung macht Veranstaltunge attraktiver zur Wahrnehmung. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, Deputate an Kohle oder Strom sind nicht zu verachten. Das gilt nicht nur, wenn sie gegen Geld wieder abgelöst werden. Der gewählte Mandatsträger steht zwar nicht in einem arbeitsrechtlichen, abhängigen Verhältnis zum Geber der geldwerten Leistungen, aber der Leistungstransfer ist ähnlich. Dienstfahrten, Dienstfahrzeuge, Dienstreisen sind hier erfasst in Form von auswärtigen Sitzungen und Informationsbesuchen – ggf. mit Partner. Es dient dem persönlichen Kontakt in den Gremien und der Information.
Es soll schon finanzierte Ausstellungen von Hobbykünstlern gegeben haben, die zugleich Politiker waren.
Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke sowie Aufmerksamkeiten bei familiären Anlässen kommen auch vor.
Das ist nicht leicht von „VIII. Geschenken“ abzugrenzen.
VI. Vergünstigungen
Es müssen nicht immer besonders günstige Kreditbedingungen sein oder ein um ein halbes Prozent geringerer Zinssatz. Der vergünstigte Erwerb von Eintrittskarten kann dazu gehören, besondere Rabatte für Reisen und Hotelaufenthalte. Die Vergünstigungen werden von öffentlichen und privaten Akteuren unangefragt und nachgefragt gewährt. Da stehen Politiker anderen Berufen nicht nach, z. B. den Journalistenrabatten.
Kürzlich lernte ich, dass vergünstigte Eintritte in Museen, Konzerte etc. nur wenig genutzt würden, da die in Frage kommenden Politiker zu den Premieren eingeladen sind.
VII. Begünstigungen
Darunter fasse ich alle Leistungen, die auf Veranlassung eines Politikers oder auf Veranlassung seiner Position ohne sein persönliches Zutun, an Dritte gewährt werden. Das kann ein Vermittlungshonorar an Verwandte sein, ein Auftrag an die Firma des Ehepartners, der eine Firma für Politikberatung o. ä. betreibt, oder Einladungen zu Veranstaltungen. Vielfach ist es nur die Übertragung von Begünstigungen von Politikern auf Personen im eigenen, persönlichen Umfeld.
VIII. Geschenke
Früher sollen es mehr Weihnachtsgeschenke gewesen sein. Es beginnt bei Schreibblöcken, Kalendern und Kugelschreibern, geht über Kuchen und Oliven sowie Weinen und Spirituosen bis hin zu Lotterietickets. Die ganze Palette der Werbegeschenke findet sich hier. Einen Unterschied kann es machen, ob die Leistung im Zusammenhang zur Tätigkeit des Gebers steht. Die Eintrittskarte ins Weihnachtskonzert ist anders zu beurteilen, wenn der Empfänger im Aufsichtsrat des Konzerthauses sitzt. Er oder sie sollte sich das Haus auch mal im Betrieb ansehen.
IX. Steuerliche Abzugsmöglichkeiten
Bezüge und Aufwandsentschädigungen müssen versteuert werden. Es gibt jedoch Freibeträge. In geringem Umfang lassen sich auch Honorare in der Steuererklärung günstig unterbringen und Positionen gegenrechnen.
Spenden an anerkannte gemeinnützige Institutionen können steuermindernd geltend gemacht werden. Es gibt zwar keine Spende mit Gegenleistung, aber dennoch Arrangements, bei denen ein Dritter – abseits von Spender und Empfänger – eine Spende mit spürbarem Dank – automatisch, aber ohne Anspruch – honoriert. So lässt sich finanziell Gutes tun, die Steuerminderung lässt es verschmerzen und es entsteht ein spürbarerer Gegenwert.
X. Sachaufwendungen – indirekte Zuwendungen
Politiker allein und insbesondere in Gruppen stehen oft weitere Sachzuwendungen zu. Persönlich können idR nur Sach- und Dienstleistungen wahrgenommen werden, die von Verwaltung, Verband, Fraktion oder Unternehmen bezogen werden. Hierzu zählt das gesamte Umfeld der Mandatsausübung und wie es unterstützt wird. Die unentgeltliche Gewährung von Fortbildung, Bereitstellung von Publikationen, Schreibdienstleistungen und Räumen sind Beispiele.
XI. Freistellungsansprüche
Wichtig für ehrenamtliche Mandatsträger ist der Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, der in der Realität sehr von diesem abhängt, was de jure eigentlich nicht sein sollte. Nicht nur die eigentliche Tätigkeit in den Gremien wird hier erfasst, durchaus auch die Wahrnehmung weiterer Termine. Die Wahrnehmung eines Mandats führt neben Urlaub, Krankheit und Streik idR zu einem entgeltlichen Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Die Manadatswahrnehmung soll zwar in der Freizeit erfolgen, was aber nicht immer beeinflusst werden kann – und nicht unbedingt will. (Mit Gleitzeitregelungen ergeben sich teilweise erhebliche Probleme.)
XII. Drehtür & nachlaufende Leistungen
Honorare und Nebeneinkünfte können auch nachlaufend für Vorträge, Reden und Texte anfallen. Das Ausscheiden aus einem Amt kann aber durchaus zu einem neuen führen. Das hat dann Geschmäckle, wenn es wie ein Dankeschön für im Amt gewährte Vorteile aussieht. Ausgeschiedene Mandatsträger dienen Verwaltungen als entgeltliche Moderatoren, ehemaligen Aufsichtsratsmutglieder dienen dem Unternehmen oder der Konkurrenz als Berater. Die Verschwiegenheitsregelungen sind selbstverständlich zu beachten. Auch für Ehemalige gibt es noch was. Bei nachlaufenden Verpflichtungen ist dies besonders verständlich. Das Ausscheiden aus dem aktiven Politikbetrieb geschieht zudem oft in Schritten. Aber es schließt sich auch mal ein weiterer Karriereschritt an.
Was hab ich vergessen? Wo muss eine klarere Unterscheidung her? Vor allem: Was ist sinnvoll? Gewarnt werden muss, dass manche missbräuchliche Leistung ohne tiefgreifende Einschnitte in Demokratie und den Wert der Freiheit nicht unterbunden werden können. Das ist aber wieder eine Diskussion um Werte. Hier ging es nur um eine Auflistung. Solange alles im gesellschaftlich akzeptierten, normalen Rahmen bleibt, ist dagegen nichts einzuwenden.
Am heutigen Freitag habe ich anlässlich des 10-jährigen Bestehens eines Verbandes wie alle anderen Gremienmitglieder einen Fertigkuchen samt papierener Jubiläumsserviette geschenkt bekommen. Das hat einen geschätzten Gegenwert von 2 bis 3 Euro.
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