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Unstatistik des Monats: Impfquote und Übersterblichkeit, eine „Spurious Correlation“

In den zehn Jahren, die es die Unstatistik nun gibt, wurden wir häufig gefragt, ob es kein Problem sei, jeden Monat eine Unstatistik zu finden. Nein – ist es nicht. Die Unstatistik-Nachrichtenlage kann noch so mager sein: eine Meldung, in der Korrelation für Kausalität gehalten wird, findet man immer.

In den zehn Jahren, die es die Unstatistik nun gibt, wurden wir häufig gefragt, ob es kein Problem sei, jeden Monat eine Unstatistik zu finden. Nein – ist es nicht. Die Unstatistik-Nachrichtenlage kann noch so mager sein: eine Meldung, in der Korrelation für Kausalität gehalten wird, findet man immer. Menschen sind eben auf der Suche nach Erklärungen, gerade wenn es um Phänomene geht, die uns Angst einjagen.

Sowohl Meldungen in den Printmedien als auch in den sozialen Medien legen nahe, dass die Frage des Zusammenhangs zwischen Impfungen und Sterblichkeit viele Menschen verunsichert. Bereits in unserer Dezember-Unstatistik sind wir auf die Probleme derartiger Studien eingegangen. Nichtsdestoweniger werden wir auf zahlreiche Analysen hingewiesen, die versuchen, einen Zusammenhang zwischen Impfquote und Sterblichkeit bzw. Übersterblichkeit herzustellen. Hierzu werden üblicherweise die zeitliche Entwicklung der Impfquoten für verschiedene Altersgruppen oder Regionen mit der Sterblichkeit in diesen Altersgruppen oder Regionen verglichen.

Ein Beispiel hierfür ist die Studie des Psychologieprofessors Christoph Kuhbandner, der für das Jahr 2021 die zeitliche Entwicklung der Todesfälle pro Tag und die Anzahl der Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen in Deutschland miteinander vergleicht. Dabei findet er sehr hohe Korrelationen, die vermeintlich nahelegen, dass eine höhere Anzahl an Impfungen zu mehr Todesfällen führt.

Warum der Zusammenhang zwischen Impfquote und Übersterblichkeit nicht kausal ist

Das zentrale Problem dieser Analyse ist in der Statistik seit nahezu 100 Jahren bekannt – das Problem der sogenannten „Spurious Correlations“ oder Nonsens-Korrelationen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass man bei einem Vergleich von zwei sogenannten nicht-stationären Zeitreihen (das sind Zeitreihen mit einem Trend), wie sie auch Kuhbandner vorgenommen hat, hohe Korrelationen erhält, selbst wenn zwischen diesen Zeitreihen kein Zusammenhang existiert. So erhält man beispielsweise in den USA eine nahezu perfekte Korrelation zwischen der Anzahl von Personen die jährlich gestorben sind, weil sie sich in ihrem Bettlaken verheddert haben, und dem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Käsekonsum (https://www.tylervigen.com/spurious-correlations).

Eine Möglichkeit, solche Nonsens-Korrelationen aufzudecken, ist die Kontrolle hinsichtlich weiterer möglicher Erklärfaktoren. Statistiker nennen so etwas die „partielle Korrelation“, also den verbleibenden Anteil des beobachteten Zusammenhangs zweier Variablen, wenn man den jeweiligen Zusammenhang mit einer dritten Variable „herausrechnet“. Bei Zeitreihen kann man beispielsweise einfach den Zusammenhang mit der Zeit selbst, eben dem gemeinsamen Trend, berücksichtigen. Man interessiert sich also dafür, ob Abweichungen vom Trend noch parallel verlaufen oder nicht. Tun sie das, wäre zumindest geklärt, dass nicht einfach ein zeitlicher Effekt vorliegt – etwa im Falle der Corona-Impfungen, weil es in manchen Monaten verstärkt zu Infektionen kommt und zum Schutz vor diesen Infektionen auch mehr geimpft wird. Aber eine solche Kontrolle findet in dieser Analyse nicht statt. Genausowenig wie in der britischen Analyse, die Kuhbandner zum Anlass für seine Berechnungen genommen hat.

Sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Ländern stehen zu den Impfungen und den Todesfällen nur auf regionaler Ebene oder für Personen in verschiedenen Altersgruppen aggregierte Zeitreihen zur Verfügung. Der korrelative Zusammenhang zwischen Impfungen und Todesfällen ist teilweise positiv, teilweise liegt er bei Null, teilweise ist er sogar negativ. Mit solchen Daten lässt sich jedoch die Frage, ob sich Impfungen positiv oder negativ auf die Todesfälle auswirken, nicht beantworten. Hierzu würde man Individualdaten benötigen.

Registerdaten zeigen: Die Corona-Impfung senkt das Sterberisiko

Bei Individualdaten wären die beiden Ereignisse, die möglicherweise miteinander in Zusammenhang stehen, für Einzelpersonen verknüpft. Man wüsste also, wann eine Person geimpft wurde und ob sie in kurzem Abstand danach verstorben ist oder Nebenwirkungen erlitten hat. Idealerweise hätte man Informationen über weitere individuelle Risikofaktoren. Für manche Krankheiten existieren dazu sogenannte Register, beispielsweise das deutsche Mukoviszidose-Register. Solche Registerdaten sind der Grund, dass wir über Krankheitsverläufe von Mukoviszidose, einer schweren angeborenen Stoffwechselerkrankung, und die darauf wirkenden Faktoren heute verhältnismäßig gut Bescheid wissen.

Registerdaten in Zusammenhang mit der Corona-Impfung gibt es jedoch in den wenigsten Ländern. Eine Ausnahme ist Österreich. Dort existiert ein Impfregister, so dass man den Einfluss einer Impfung auf die Wahrscheinlichkeit zu versterben auf Personenebene analysieren kann. Und das Ergebnis in Österreich ist sehr eindeutig: „Ungeimpfte habe ein signifikant höheres Sterberisiko als jene, die zumindest eine Impfdosis erhalten haben – das ist in beinahe allen Altersgruppen und unabhängig vom Geschlecht der Fall“.

Auch das österreichische Impfregister liefert keine perfekten Daten. So könnte man kritisieren, dass Menschen, die einen Migrationshintergrund oder ein niedrigeres Bildungsniveau haben oder anderweitig sozial benachteiligt sind, sich sowohl seltener impfen lassen als auch ein allgemeines höheres Sterberisiko haben. Weil solche Faktoren nicht verfügbar sind beziehungsweise nicht mit dem Impfstatus verknüpft werden, kann man sie auch nicht berücksichtigen. Trotzdem sind Auswertungen von Impfregistern derzeit die zuverlässigste Informationsquelle, die uns vorliegt. In den Ländern, wo derartige Analysen durchgeführt wurden, weist das Ergebnis stets in dieselbe Richtung: Die Corona-Impfung senkt das Sterberisiko.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.deund unter dem Twitter-Account @unstatistik.Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unterwww.data-literacy-charta.deabrufbar.

Bei Weiterverbreitung von Texten aus der Reihe „Unstatistik des Monats“ muss klar erkennbar sein, dass es sich um die Übernahme eines fremden Textes handelt. Zudem ist die Quelle https://www.unstatistik.dezu nennen. Bitte informieren Sie die Pressestelle des RWI über die Verwendung des Textes unterpresse@rwi-essen.de. Das Urheberrecht bleibt bestehen.

Quelle: Pressemitteilung des RWI

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