Warum müssen Bundestagsabgeordnete in Berlin überhaupt Zweitwohnungssteuer bezahlen? Das liegt am Land Berlin, dass die Steuer von Inhabern einer Zweitwohnung erhebt. Würde Bundestagesabgeordnete in Hotels oder Pensionen übernachten, dann bräuchten Sie die Steuer nicht zu bezahlen. Das dürfte aber wesentlich unbequemer bei den vielen Sitzungswochen und auch teurer sein, als dauerhaft private Übernachtungsräume zu kaufen oder zu mieten. Es bleibt ein Weg zur Steuervermeidung: Die Bundestagsabgeordneten nehmen ihren Erstwohnsitz in Berlin. Das ist aber nicht im Sinne des Systems.
Berlin ist Bundeshauptstadt und daher Arbeitsort der Bundestagsabgeordneten
Im Grundgesetz findet sich neuerdings der Artikel 22, dessen erster Absatz Berlin zur Bundeshauptstadt bestimmt. Hier befinden sich der Sitz der Bundesregierung, des Bundesrates und eben des Bundestages. Dieser wird durch die Abgeordneten aus den Wahlkreisen und weiteren Kandidaten aus länderweiten Listen gewählt. Der Bundestag besteht aus Repräsentanten der Wahlkreise und der Länder (quasi große Wahlkreise). Jüngst war ich bei einem politischen Termin, an dem auch der Bochum Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer (SPD) teilnahme. Jemand meinte einen kessen Spruch abzulassen, weshalb der nicht in Berlin sei. Er antwortete, dass er in Berlin arbeite, aber da nicht wohne. Da ist ja was dran. Die Abgeordneten werden vor Ort gewählt, um die Bürger in Berlin zu repräsentieren. Eine Zweitwohnung im Wahlkreis und den Lebensmittelpunkt nach Berlin zu verlegen wäre nicht im Sinne der Sache. Wollen wir einen Bundestag mit lauter Berlinern, die dort arbeiten und leben, wobei sie sich alle paar Jahre in einem Wahlkreis wählen lassen?Für weniger mobile Zeiten mag das in Ordnung gewesen sein, zum Beispiel zur Gründungszeit der USA, wo traditionell im November gewählt wird und dann drei Monate später erst das Amt angetreten wird. Heutzutage kann schneller als im 18. Jahrhundert gewählt werden und daher produziert dieser Zeitablauf das Phänomen der ‚lame duck‘ – der lahmen Ente. Das bezeichnet Politiker, die noch im Amt sind, aber bereits abgewählt. Die Zeit wurde früher fürs Reisen benötigt.
Verheiratete können nicht anders
Jetzt gibt es sogar noch Bundestagsabgeordnete, die haben Familie und sind verheiratet. Verheiratete haben einen gemeinsamen Wohnsitz. Kinder wohnen bei den Eltern. Die Meldung des Erstwohnsitzes nach Berlin hätte zur Folge, dass die Familien auch nach Berlin wechseln. Alternativ zahlen sie dann ggf. Zweitwohnungssteuer in ihrem Heimatort, falls es sie dort gibt. Die Wahl eines Zweitwohnsitzes hat aber auch weitere Nachteile, die lokal verschieden sind. Zuteilung von Plätzen in öffentlichen Einrichtungen können dazu gehören. (Zum Urteil siehe z. B. Stern 2005.)Schafft also gefälligst in Berlin die Zweitwohnungssteuer für Bundestagsabgeordnete ab!
Vielleicht hat ja auch ein Bundestagsabgeordneter den Mut gegen die Zweitwohnungssteuer, die das Land Berlin erhebt, zu klagen. Nicht nur, weil er da zwangsläufig arbeitet und die Anwesenheit nur durch Nicht-Wahl vermeiden könne sollte. Denn wir wollen ja, dass die Abgeordneten ihre Arbeit machen. Auch, weil das Land Berlin Geld bekommt, um seiner Funktion als Bundeshauptstadt gerecht zu werden. Allerdings erhält es diesen Zuschlag nicht direkt aus dem Bundeshaushalt, was ich für richtig hielte, sondern über den Länderfinanzausgleich und somit zu Lasten der Geber-Länder dieses Systems. Aber das Land Berlin holt sich noch einen kleinen Extra-Zuschlag: Die Zweitwohnungssteuer der Bundestagsabgeordneten und vermutlich weiterer Abgesandter in Behörden und Vertretungen, die zum Wochenende nach Hause pendeln.
Ich fasse das mal so zusammen: Die Berliner Zweitwohnungssteuer diskriminiert Bundestagsabgeordnete, denn es zwingt sie in Berlin den Erstwohnsitz zu haben statt bei ihren Wählern zuhause.
Zweitwohnungssteuer für arbeitende Verheiratete ist verfassungswidrig
Dem kann entgegengehalten werden, dass alle, die in Berlin arbeiten und dort einen Zweitwohnsitz haben, die Extrasteuer an das Land Berlin entrichten müssen. Das ist genauso falsch, insbesondere dann, wenn sie aufgrund heimischer Familie sich gar nicht ummelden könne. Daher hat das Bundesverfassungsgericht auch geurteilt, dass berufsbedingte Zweitwohungssteuer für Ehepaare verfassungswidrig sei. Sie ist es, weil sie die Ehe diskriminiert, denn laut Meldegesetz muss die Familienwohnung die Erstwohnung sei. Da damit die Zweitwohnung nicht Erstwohnung werden kann, diskriminiert die dann fällige Steuer Verheirate. Willkommen im Irrsinn der Zweitwohnungssteuer. Sie ist eigentlich eine Luxussteuer für Ferienorte. Mehr dazu hier im Blog unter der Suche „Zweitwohnungssteuer“.
P. S.: Auch wenn die Zweitwohnungssteuer für Bundestagsabgeordnete in Berlin falsch ist, so entschuldigt das nicht die jetzt öffentlich werdenden Steuerhinterziehungen. Auch Bundestagsabgeordnete müssen gegen diese Steuer im Rahmen des Systems kämpfen und sich an die Regeln vorerst halten. Ich habe aber auch Verständnis, dass so eine Steuer übersehen wird, wenn sie einem von zuhause und überhaupt unbekannt ist. Überwiegend werden sie nur eine Zweitwohnung haben. Die Bundestagsverwaltung weist aber laut einem Medienbericht auf diese Steuer in einer Information an die Abgeordneten hin.
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Peter Robitzsch
27. Dezember 2015 at 16:03
Wer Bundestagsabgeordneter wird, sollte auch dieses bestehende Gesetz kennen. Da sind Bundestagsabgeordnete besser dran als vorsorgende direktversicherte Bürger, diese wurden durch das Gesundheits-Modernisierungsgesetz rückwirkend „enteignet“. Das ist ein wirkliches „Skandalgesetz“!
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