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Urheberrecht: Bundesregierung will gegen den Ruhrpiloten und Perlentaucher vorgehen

Mängelexemplar: nobody is perfect von kallejipp / photocase.de

Nein, die Bundesregierung geht nicht das erfolglose Verkehrsmanagementsystem im Ruhrgebiet namens Ruhrpilot vor, sondern gegen Linksammlungen von Presseartikeln wie der tägliche Ruhrpilot auf Ruhrbarone.de und der Dienst perlentaucher.de, der täglich die Feuilletons auswertet. Beides sind eigene redaktionelle Auswertungen, da sie manuell ertellt eine Auswahl von tagesaktuellen Veröffentlichungen darstellen, die online – teilweise auch offline – zu finden sind. Diese kommentierten oder unkommentierten Linksammlungen sind einem thematischen Pressespiegel vergleichbar. Die Funktionsweise des Internets macht es nicht erforderlich, ganze Artikel zu übernehmen, sondern beschränkt sich darauf, zu den Artikel zu verlinken, in der Regel über die zitierte Überschrift eventuell samt Autor. Das Erstellen und Verbreiten von Pressespiegel ist nur entgeltlich gestattet. Für Linklisten zu tagesaktuellen Artikeln galt das nicht. Die Bundesregierung will das nun ändern.

Der Koalitionsausschuss von CDU und FDP hat entsprechend eines Auftrags aus dem Koalitionsvertrag am 4. März 2012 wie Folgendes beschlossen:

2. Urheberschutz – Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Verlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein sollen als andere Werkvermittler. Deshalb sollen Hersteller von Presseerzeugnissen ein eigenes Leistungsschutzrecht für die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder kleiner Teile hiervon erhalten.

Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen. Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten. Einzug und Verteilung der Entgelte soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Die Schutzdauer soll ein Jahr betragen.

Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet wird nicht vergütungspflichtig, normale User werden also nicht betroffen sein. In der gewerblichen Wirtschaft bleiben das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei.

Linklisten und Linklisten plus Zusatz müssen möglich bleiben
Mängelexemplar: nobody is perfect von kallejipp / photocase.deAn sich liest sich das auf den ersten Blick ganz gut. Auch ich sehe manche „News-Aggregatoren“, die automatisiert wild fremden Inhalt (Content) sammeln. Publikationen jedoch zu sammeln und deren Quellenangaben samt einem Zitat wiederzugeben muss weiterhin möglich sein. Und im Umfeld vernetzter Computer bis hin zum Internet ist eine Quellenangabe eine eindeutige Internetadresse. Diese wird auch als URL bezeichnet, was für uniform ressource locator steht. Das beschreibt nichts anderes, als dass es für alle Dokumente eine einheitliche und eindeutige Fundstellen-Bezeichnung gibt. Linklisten und auch Linklisten mit Zusatzdienstleistungen müssen weiterhin möglich sein.

Das Problem ist im Wesentlichen die Definition von „gewerblich“
Die Erklärung von CDU und FDP schränkt ein, dass zwischen „privater“ und „gewerblicher“ Nutzung im Internet unterschieden werden soll. Diese Unterscheidung ist untauglich, da zahlreiche privaten Nutzungen inzwischen juristisch als gewerblich eingestuft werden. Dieser Blog – http://ruhr.today – würde als gewerblich gelten. Ein Indiz ist der Werbeblock von Google Adwords rechts am Rand. Ein weiteres könnte sein, dass die Inhalte irgendwie auch auf meine berufliche Tätigkeit bezogen sein können. Weitere Indizien könnten die Aufnahme von Hinweisen auf eBay-Angebote oder das gegenseitige Verlinken mit anderen Angeboten, darunter auch gewerbliche, sein. Peter Mühlbauer (05.03.2012) sieht in einem Beitrag auf Telepolis davon auch Links zu Amazon und kostenlose Werbeeinblendung (auf Gegenseitigkeit) erfasst.

Die Unterscheidung von „gewerblich“ ist deswegen im Internet diskreditiert, da sie von Rechtsanwälten zur Abmahnung von Privatnutzern missbraucht werden wird, wie bereits in anderen Zusammenhängen. Der Begriff „gewerblich“ ist zu unscharf, was auch für den Begriff „News-Aggregator“ gilt. Bei letzterem wird sich zeigen, was da in den Entwürfen einer gesetzlichen Definition herauskommt. Als unbestimmter Rechtsbegriff würden sich weitere Möglichkeiten für Abmahnwellen unterbeschäftigter Rechtsanwälte bieten.

Nicht Google wäre das Opfer, sondern Privatleute ohne Lobby
Der vorgenannte Peter Mühlbauer machte bereits in seinem Artikel „Ein Monopol mit irreführendem Namen“ (03.12.2010) vor zwei Jahren darauf aufmerksam, was das für den Bürger als Internetnutzer bedeutet:

„Es wird also wahrscheinlich eher Diejenigen treffen, die keine Lobby haben und sich nicht wehren können: Privatleute – und unter ihnen vor allem Foren-Nutzer und Blogger. Sie können in Zukunft möglicherweise bereits dann abgemahnt und mit Forderungen bedacht werden, wenn sie – bewusst oder unbewusst – Formulierungen übernehmen, die denen aus Zeitungsartikeln ähneln. Mit dem „Snippet-Recht“, das so etwas erlauben würde, argumentieren die Verleger zwar gegen eine wirtschaftliche Übermacht von Google – treffen dürfte es aber in der Praxis aber Andere. Den kaum ein Verlag wird das Risiko eingehen, dass Google Artikel von ihm aus seinen Übersichten herausnimmt – was unzweifelhaft geschehen dürfte, wenn er anfängt, Geld dafür zu fordern.“ (Der Link im Zitat findet sich im Original.)

Ich wende mich gegen dieses neue Monopolrecht der Werkverwerter. Die bisherigen Regelungen für (elektronischen und gedruckte/kopierte) Pressespiegel sind hinreichend. Der öffentliche Diskurs wird durch so eine Regelung erschwert. Eine Einschränkung droht mit dem Zensurverbot in Artikel 5 des Grundgesetzes in Konflikt zu geraten. Auch mit den Zielen der Initiative Faires Urheberrecht – Rechtsvereinfachung, Fair-Use-Prinzip, Keine Netzsperren – ist der Vorschlag nicht vereinbar, denn es passt in der vorgeschlagenen Reichweite nicht zum Fair-Use-Prinzip.

Ich frag mich, was dran ist, dass Markus Beckedahl von netzpolitik.org, aber auch andere, dahinter Lobbyarbeit des Axel-Springer-Verlages erkennne. Übrigens geben auch CDU-Organisationen kommentierte Linklisten samt Zitaten heraus.


Bild: ’nobody is perfect‘ von kallejipp / www.photocase.com

1 Comment

1 Comment

  1. Dirk Schmidt

    6. März 2012 at 01:11

    Und die „Links anne Ruhr“ gehören auch in die Kategorie kommentierte Linkliste.

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