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[Update] Die Opfer sind nicht die Täter – zur antisemitischen Entgleisung des Piraten Dietmar Schulz MdL

{ OCH NÖ } von gusperus / <a href="http://www.photocase.com">photocase.com</a>

Sonntag war Volkstauertag. An vielen Orten in Deutschland wurde den „Opfern von Gewaltherrschaft und Krieg“ gedacht. Auch die Opfer jüdischen Glaubens sind in diesem Gedenken inbegriffen. Es waren Deutsche, Polen, Tschechen, Niederländer etc. die aufgrund ihres Glaubens verfolgt wurden.

Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Dietmar Schulz (Piratenpartei) kommentierte das heute wie folgt:

Pirat Dietmar Scholz nimmt in seinem Tweet Bezug auf die laufende kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Staat Israel und der Organisation Hamas im Gaza-Streifen, die das israelische Staatsgebiet mit Raketen beschießt. Die Bürger des Staates Israel sind mehrheitlich jüdischen Glaubens. Die Zahlen variieren. Es sollen zwischen 70% und 80% sein. Die Zahl ist nicht einfach zu ermitteln und es ist schwierig zu definieren und nachzuvollziehen, wer als Anhänger des jüdischen Glaubens als Jude in Israel (und ggf. Westbank und Gaza-Streifen) gezählt wird. Die Einwohner Israels heiße Israelis. Der überwiegende Teil der Israelis sind Juden, d. h. sind jüdischen Glaubens.

Historisch bedingt gibt es zwischen dem Staat Israel und Juden (weltweit) eine besondere Beziehung. Die schlägt sich u. a. in der israelischen Gesellschaft und im Rückkehrgesetz nieder.

Zurzeit verteidigt der israelische Staat, Israel, sein Territorium. Dieser Nahostkonflikt kann unterschiedlich bewertet werden. Das halte ich für legitim. Ich halte das Vorgehen Israels für legitime Selbstverteidigung, selbst wenn sie präventiv erfolgt. Ich halte es jedoch auch für legitim, dass man das anders sehen kann. Dann wäre das Vorgehen Israels Unrecht.

{ OCH NÖ } von gusperus / photocase.com

Nicht legitim ist es anzuzweifeln, dass den „Opfern von Gewaltherrschaft“ und in Verbindung mit dem jüdischen Friedhof und Millionen ermordeter Bürger jüdischen Glaubens Unrecht widerfahren sei.

Das Wort „grotesk“ in Dietmar Scholz Tweet wertet das Wort „während“, das die beiden Ereignisse verbindet. Als sonderbar oder verzerrend – um das Wort grotesk ‚mal zu interpretieren – sieht der Pirat Scholz an, dass dem einen Unrecht gedacht werden, während anderes geschehe. Dem entgegne ich, dass Unrecht Unrecht bleibt. Es gibt kein gerechtes oder gerecht verteiltes Unrecht. Es gibt keine Gerechtigkeit im Unrecht.
Aber mehr noch: Dietmar Scholz zieht eine Verbindung zwischen dem damals gemordeten Bürgern jüdischen Glauben und den heutigen Einwohnern Israels.

Ich weiß nicht, wer Hauke Mass ist, aber er hat dazu folgendes als Antwort auf Dietmar Scholz getweetet:

Aber dieser Vergleich hat nicht nur eine zeitliche Dimension. Ein mir ebenso unbekannter Moritz Hoffmann antwortete:

Das ganze erinnert an die Entgleisung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der daraufhin aus der CDU-Bundestagsfraktion und -Partei ausgeschlossen wurde. Das den „Opfern von Gewaltherrschaft“ – den Bürger jüdischen Glaubens – widerfahrene Unrecht wird relativiert, da die Opfer – oder deren Nachkommen – jetzt selber Täter seien. Die Opfer sind nicht die Täter. Auch nicht wenn das jetzige Handeln des Staates Israel als Unrecht angesehen wird.

Für mich ist diese Denkfigur, die jüdische Bürger in Verbindung mit dem Handeln des Staates Israel bringt eine antisemitische. Diese Figur argumentiert, dass das Handeln des Staates Israel das widerfahrene Unrecht an Juden relativiere, oder sogar rechtfertige.

Ich halte diese Denkfigur für weit verbreitet. Es erfordert etwas Nachdenken, dass diese Gleichsetzungen in ihr falsch sind. Sie kann bekämpft werden. Ihr muss entgegnet werden. Nachdenken und reden hilft. Es ist bedauerlich, dass auch für den Piraten und Landtagsabgeordneten Dietmar Schulz und seinen Tweet gilt. Es zeigt aber auch, dass die Mechanismen in der Piratenpartei nicht solche Aussagen und solche Repräsentanten in Ämtern verhindern. Das spricht nicht für das Weltbild und die Auseinandersetzung mit dem Thema in der Piratenpartei. Das spricht nicht dafür, dass die Piratenpartei aus früheren Vorfällen dazugelernt hat. Vorkommen werden antisemitische Äußerungen immer wieder. Wichtig ist, dass ihnen bereits bei der Entstehung entgegen getreten wird und Vertreter solcher Einstellungen nicht aufgestellt und gewählt werden.

Leider habe ich eine ähnliche Entgleisung schon einmal in einer Podiumsdiskussion mit Beteiligung eines Piratenvertreters an der Hellwegschule in Wattenscheid zur Landtagswahl NRW 2012 erlebt. Dem wurde auf dem Podium entgegengetreten und der Pirat hat das dann eingesehen (hoffentlich), seine Worte zurückgenommen und sich für seine Äußerungen entschuldigt. Davon scheint mir Dietmar Schulz entfernt von. Wenigstens andere Piraten distanzieren sich inzwischen sofort von solchen Äußerungen.

Update

Einen Tag später, am 19.11.2012, hat Dietmar Schulz in einem persönlichen Blogeintrag auf den Internetseiten der Landtagsfraktion der Piraten in NRW seinen Tweet zurückgenommen und sich entschuldigt:

Meine Äußerung sollte die Besorgnis über die Eskalation kriegerischer Auseinandersetzung in Israel und dem Gaza-Streifen zum Ausdruck bringen. Dass dies und insbesondere die verkürzte Darstellung eingedenk der Wortwahl in einem Tweet auf Twitter Anlass zu Fehlinterpretationen geben konnte, bedauere ich zutiefst und nehme die textliche Darstellung meiner o. g. Intention zurück.

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