Am 30. August 2009 fanden in Dortmund wie in ganz NRW die Kommunalwahlen statt. Das ist bereits mehr als zwei Jahre her. Zwischenzeitlich gab es in Dortmund eine Wiederholung der Wahl des Oberbürgermeisters, die am 09. Mai 2010 erfolgte. Auch das ist bereits mehr als ein Jahr her. Und nach vielen juristischen Turbulenzen wurde am 15. Dezember 2011 vom Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden, dass auch die Wahl des Rates der Stadt wiederholt werden muss. Dadurch kann sich die Zusammensetzung des Rates verändern, was die gewählten Mandatsträger betreffen kann, aber auch das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien. So ist das bei einer Wahl. Bei dieser Wiederholungswahl geht es um eine Wiederholung der Kommunalwahl aus 2009. Für diese wird so etwa vier Monate nach dem Zeitpunkt gerechnet, an dem das Urteil rechtskräftig geworden ist. Das wird dann voraussichtlich Mai 2012 sein. Zwei Jahre nach der Wiederholungswahl für das Amt des Oberbürgermeisters und insbesondere 31 Monate nach der eigentlichen Kommunalwahl. Dann ist sogar mehr als die Hälfte der Wahlperiode von 5 Jahren, also etwa 60 Monaten, herum.
Input-Legitimität
Für das juristische System mag das Okay sein. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Auch lebt Politik von Langsamkeit, aber so langsam? Medial ist die letzte Kommunalwahl eine Ewigkeit her. Die Zeithorizonte von Judikative, Medien und Politik sind andere. Und so mag das alles juristisch korrekt sein, aber ist das auch alles noch politisch von Bedeutung? Klar, kann man sagen, denn der Rechtsstaat ist die Grundlage für die Demokratie. Der Wähler wurde seinerzeit getäuscht und derartige Folgen sollen nicht ungesühnt bleiben. Allerdings sind die Verursacher in persona andere als die betroffenen Wähler und Gewählten. Dennoch lässt sich abstrakt sagen, dass die Zusammensetzung des Dortmunder Rates legitim erfolgt sein muss. Ich nenn das mal Input-Legitimität.
… und Output-Legitimität
Und wie sieht’s mit dem Output aus? In welchem Zusammenhang wird der politische Diskurs vor der letzten Wahl im Zusammenhang mit der neuen stehen? Damals wurde der Wähler getäuscht, da ihm das große, neu entstandene Haushaltdefizit verschwiegen worden war. Aber seitdem sind mehrere Haushalte vergangen und Dortmund ist eine der wenigen Städte in der Metropole Ruhr, die sogar einen genehmigten Haushalten haben. Die Ursache der „Lüge“ ist Schnee von Vorvorgestern. Und die Verursacher sind lange aus den Ämtern geschieden. Wie kann da noch von „Wiederholung“ gesprochen werden? Was ändert das eigentlich an den letzten zwei Jahren, wenn jetzt neu gewählt? Auffällig scheint mir, dass sich die Determinanten der Dortmunder Kommunalpolitik zwischenzeitlich geändert haben.
Das eine neue Wahl und keine Wiederholung
Ich kann nicht erkennen, dass sich die Dortmunder Politik auf außergewöhnliche, ja gerade außergewöhnlich schlechte, Art entwickelt habe. Die Mechanismen der Mehrheitsfindung sind andere geworden. Es existiert keine feste Koalition zwischen SPD und Grüne, auch eine Kooperation von CDU und SPD kommt vor. Beigeordnete haben sich verändert, auch deren Parteibuch. Der ehemalige grüne Fraktionsvorsitzende ist jetzt „Beigeordneter“ beim Regionalverband Ruhr. Und auch anderweitig wurde rochiert. Beneidenswert hat man den Haushalt in schwierigen Zeiten gemeistern, sich vermutlich bei der Beteiligung am Energieunternehmen Steag zusammen mit weiten Städten verhoben und ein Dortmunder U gebaut, bei dem Bau- und Unterhaltungskosten davonlaufen. Mir scheint, dass die Konstellation nach der letzten Kommunalwahl in 2009 anderen sind als vorher. Das ruft jetzt für die, die an Einfluss – nicht unbedingt an Stimmen – verloren haben, nach Revanche, während andere das Rochieren fürchten müssen, das einigen inzwischen egal sein kann. Aber genug Parallelitäten zu den politischen Verhältnisse vor dem 30. August 2009 bekomme ich nicht hin. Die Wiederholungswahl ist eine völlig neue Wahl. Und da wird in den nächsten Monat interessant zu beobachten sein, welche Themen – neue, alte und alte Themen in neuer Konstellation – den Wahlkampf bestimmen werden. Hier ein paar Ideen: Dortmunder U, Steag-Kauf, RWE, Flughafen Dortmund, Thier-Gelände …
Und jetzt der Hammer …
Und dennoch gibt es jetzt ein Phänomen. Da es juristisch eine Wahlwiederholung ist, wird es genau die gleichen Kandidaten geben. Nur das Wählerverzeichnis wird fortgeschrieben. Einige neue Wähler kommen hinzu, einige sind verzogen oder verstorben. Auch kommen keine neuen Parteien hinzu. Die Piratenpartei wird nicht antreten können. Ein neuer politischer Diskus trifft auf eine neue Wahl zu alten Bedingungen. Für mich birgt das manches Paradox. Das Wahlwiederholungsparadox.
Übrigens, 2014 wird der Rat in Dortmund dann das nächste Mal gewählt.
Bis dahin gibt es noch Zeiten mit vielen Veränderungen und Überraschungen.
Linkliste zum Thema
„Ratswahl-Wiederholung in Dortmund frühstens im Mai„, DerWesten, 15.12.2011
„So begründete das Oberverwaltungsgericht die Ratswahl-Wiederholung Dortmund„, DerWesten, 15.12.2011
„Dortmund wält 2012 neuen Rat„, Ruhrnachrichten, 15.12.2011