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Bochum

Protest gegen „Graue Wölfe“ in BO-Dahlhausen ist ökonomisch motiviert

Türkische Fahne flattert im Wind

Türkische Fahne flattert im WindVorgeschichte
Seit vielen Jahren gibt es einen türkischen Verein in Bochum-Dahlhausen. Probleme gibt es nun, seit der Verein ein öffentlich sichtbareres, neues Domizil direkt am Kreisverkehr – quasi dem Ortskern – bezogen hat. Dabei gehen die neuen Probleme gar nicht von dem Verein aus, sondern von den Neidern.

Der Verein trägt sich allein, also ohne Unterstützung durch Steuergelder. Das neue Heim haben die Mitglieder in Eigenleistung prächtig ausgestattet. Da fallen gleich die teuren Kacheln auf und Toilettenräume, die ich mir privat für ein eigenes Häuschen wünschen würde. Und zu einer neuen Einrichtung gehören nicht nur der bekannte Billardtisch, sondern auch Flachbildschirme, DVD-Player, Beamer etc. Die Vereinsmitglieder, u. a. ehemalige, so genannte Gastarbeiter und auch heutige Ladenbesitzer, haben es zu etwas gebracht in Deutschland. Und diesen bescheidenen Wohlstand kann man in den Vereinsräumen sehen.

Jetzt sind diese neuen, größeren Räumlichkeiten sehr attraktiv – auch für Jugendliche und Kinder der Vereinsmitglieder und auch von Nicht-Vereinsmitgliedern. Das Verhältnis der Mengen zueinander kenne ich nicht, aber die, die nun dort ihre Zeit verbringen, standen bisher nicht auf der Straße, sondern wurden an anderer Stelle betreut, zum Beispiel durch die IFAK, einem linksgerichteten Bochumer Integrationsverein, der als erster Integrationsarbeit in Bochum leistete.

Die IFAK beschreibt zum Beispiel eine solche Aktivität im Stadteilzentrum Dahlhausen auf ihrer Internetseite:

„Von 13.00 bis 16.00 Uhr gibt es die Möglichkeit in attraktiven Räumlichkeiten unterschiedliche Freizeitangebote im Spiel, Sport und Kreativbereich in Anspruch zu nehmen.“

Ich habe den Eindruck, dass u. a. dieses Angebot nicht mehr hinreichend angenommen wird. Was soll’s, mag man meinen, aber wenn man in so einem Integrationsverein drinsteckt, hat  das weit reichende Konsequenzen für die eigene Arbeit. Was der eine Verein ehrenamtlich aufzieht, gewährleisten bei dem anderen Verein Mitarbeiter, finanziert überwiegend aus Steuergeldern. Auch die öffentlich geförderte, wenn nicht sogar voll finanzierte, Immobilie kann natürlich nur bescheidener daherkommen. Aber ohne Kinder und Jugendliche in der Betreuung ist der Grund der eigenen Arbeit und Existenz, ja der Jobs der Mitarbeiter, infrage gestellt. Und so wundert es mich nicht, wenn sich unterschiedliche Gruppen nun gegenseitig diffamieren. Damit meine ich Vorwürfe der folgenden Art: Die einen sind rechtsradikal, die anderen lassen Kinder Alkohol trinken. Die einen rechneten Teilnehmer an Deutschkursen gegenüber staatlichen Stellen ab, die gar nicht da seien, und die anderen seien als Menschenfischer für eine nationalistische Ideologie unterwegs … etc. pp.

Türk Federasyon oder „Graue Wölfe“
Der zentrale Vorwurf des konkurrierenden Vereins IFAK und des „Internationaler Kulturverein Regenbogen Bochum-Dahlhausen“ lautet, dass der Verein eine Organisation der „Grauen Wölfe“ sei und daher der deutschen Dachorganisation „Türk Federayson“ oder lang „Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu“ angehören. Und das ist so, wird nicht bestritten und ist klar und deutlich auf dem Schild über dem Eingang zu lesen.

Wer sind die „Türk Federasyon“, „Grauen Wölfe“ oder türkischen Idealisten? Das ist schwierig, komplex und facettenreich. Zur Beantwortung muss man sich mit den Gründen und Folgen des Militärputsches in der Türkei Anfang der 1980er Jahre befassen, der das vorherige – als gescheitert angesehene – politischen System mit seinen damaligen Parteien beseitigte. Dieses hatte sich durch einen starken, gewalttätig ausgetragenen Konflikt zwischen linken und rechten Gruppen bis hin zu politisch motivierten Morden ausge zeichnet. Die unterschiedlichen Gruppen türkischer Migranten zu verschiedenen Zeiten haben diese Konflikte mit nach Deutschland gebracht und in der Vergangenheit auch hier ausgetragen. Das scheint mir nun in neuer Weise zurückzukommen, wobei sich über die Jahrzehnte auch Wandlungen ergeben haben, so zum Beispiel eine Abkehr von politisch motivierter Gewalt und die Erkenntnis, dass Deutschland für die meisten zur Heimat geworden ist und man sich etwas erarbeitet hat.

Jetzt ließe sich der Türkische Verein auf diese nette Rolle ehemaliger Gastarbeiter (unzutreffend) reduzieren. Aber wodurch zeichnet sich der Dachverband aus, was ist das gemeinsame dieser Vereine, deren Dachverband betont, dass der die deutsche Variante bzw. Variante in Deutschland ist? Ich sehe da zwei Aspekte, die mir nicht so gefallen:

Nationalgefühl
Die Ideologie scheint mir auf einer Überhöhung des Türkentums – Panturkismus bzw. Turanismus – aufgebaut zu sein, die sich allerdings einer Anpassung an die Verhältnisse in Deutschland nicht entziehen konnte. Keiner wird den Anschluss Deutschlands an die Türkei fordern. Die Existenz von westeuropäischen Türken ist akzeptiert. Den Grad dieses Linkenn eher fremden Nationalgefühls kann ich nur schwer trennen vom von mir als typisch türkisch wahrgenommenen starken Nationalgefühl bzw. Patriotismus. Da gibt es sich erheblich unterscheidende Semantiken von politischen Begriffen und eine sehr extreme politische Sprache, ja eine andere politische Kultur. Ergänzt um die Sprachbarriere erschwert dies Außenstehenden ein Verständnis von Vorgängen und Positionen. Auffällig ist ein Bezug zur türkischen Mytholgie und so las ich auch von einer Beschreibung als türkisch-islamischer Synkrasie. Die Frage ist, wieviel türkischer Nationalismus darf oder kann sein. Die Menschen sind auch Träger dieser mit einer anderen Nation verbundenen Identität. Allerdings zeigt mir Lektüre zum Dachverband auch, dass die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft und Engagement in der Kommunalpolitik ausdrücklich erwünscht wird.

Integrationshemmend
Ist das vermittelte Nationalgefühl übersteigert, dann ist dies integrationshemmend, denn es führt in eine Parallelgesellschaft. Eine leider schon recht alte Broschüre (2002) der Konrad-Adenauer-Stiftung zu türkischen, politischen Organisationen zieht folgendes Fazit:

Die ADÜTDF ist bemüht, in der deutschen Öffentlichkeit als demokratischeVereinigung der politischen Mitte wahrgenommen zu werden und betont ausdrücklich, sich im gesetzlichen Rahmen der Bundesrepublik Deutschland zu bewegen. Dies hängt unmittelbar mit der aktuellen [Anm.: damaligen] Regierungsbeteiligung der MHP zusammen. Unter dem Firnis zur Schau getragener demokratischer Gesinnung befinden sich jedoch weiterhin stark ethno- und kulturzentristische Vorstellungen

Allgemein muss die Haltung der ADÜTDF als integrationshemmend bewertet
werden.

Ich habe aber auch wahrgenommen, dass der Dahlhausener Verein nach einem Deutschlehrer suchte. Das ist für die Mehrung des eigenen Wohlstands in der neuen Heimat Deutschland auch erforderlich. Allerdings kapselt sich der Dahlhauser Verein eher ab. Das mag an Vorgaben des Dachverbands u..a. zur Öffentlichkeitsarbeit liegen, aber auch eine Reaktion auf Angriffe sein. Man will eher seine Ruhe haben und privat bleiben. Von meinem Besuch vor Monaten weiß ich, dass die Angriffe und Berichterstattung betroffen machen und sich die Frage stellt: wie damit umgehen? Die vorhandene Abkehr vom öffentlichen Leben in dieser verfahrenen Situation ist auch integrationshemmend. Ich wünschte mir, der Verein würde sich an bürgerschaftlichen Aktivitäten beteiligen. Bei dem Besuch mit CDU-Kollegen vor ein paar Monaten haben wir denen das auch so gesagt. Man kann übrigens einfach ohne Anmeldung durch die Tür des Vereinslokals laufen und wird herzlich begrüßt.

Menschenfänger?
Der Vorwurf rührt daher, dass die gute Ausstattung der neuen Vereinsräume dem Ziel diene, Kinder und Jugendliche für die eigenen Wertvorstellungen zu gewinnen. Dies hängt von der Beurteilung der Ideologie des Vereins durch die Gegener ab, wobei der Dahlhausener Verein politische nicht auffällig ist, was die Ruhrnachrichten nicht einem Bericht am 5.5.2011 auch feststellten. Den Dachverband, der auch dem Charakter eines ADAC nach Anbieter von Dienstleistungen zum Beispiel für Beerdigungen ist, mag ich da nicht beurteilen. Ich müsste mir dazu mal so ein Deutschlandtreffen der Deutschen Türkischen Föderation anschauen, aber das werde ich kaum tun. Die, die da mit dem Finger zeigen, sind übrigens auch nicht ideologiefrei tätig.

Bei meinem Besuch dort habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Vereinsmitglieder hier voll stolz einiges zusammen getragen, um einfach ihren Verein und ihr Vereinsheim, indem sie viel Zeit verbringen, schön zu machen. Ich gehöre auch einem „Ideologieverein“ an, für den monatlich mehr als 100 € verwendet werden. Das soll Probleme mit einem eventuell übersteigerten Nationalgefühl nicht relativieren, aber auch den Gemeinschaftsaspekt hervorheben. Im Wertesystem der CDU wird hier – nach der katholischen Soziallehre – Subsidarität gelebt. Der Sympathie dafür kann ich mich nicht entziehen: Da haben sich Menschen in ähnlicher Lebenslage, mit ähnlichen Lebensläufen und ähnlicher Herkunft zusammengeschlossen, damit es ihnen besser geht und um sich gegenseitig zu helfen. Und das auch noch ohne Staat und Steuergelder! In dieser Form sieht man das gern.

Leider ist es aber so, dass der Erfolg Verlierer erzeugt und Neider mit sich bringt. Und darin sehe ich die Ursache des künstlichen Aufruhrs in Dahlhausen. Als die Deutsche Türkische Förderation in Dahlhausen noch in alten, schäbigen Räumen war, hat die Ideologie für keinen Aufruhr gesorgt. Das ist jetzt anders. Und das ist mein Vorwurf an die Urheber des Protestes: Es geht hier ums Geld! Der Rest ist geheuchelt. Hier wird nur ausgegrenzt, der Versuch der Integration ist nicht zu erkennen. Man beachte übrigens die Erstunterzeichner: Die versammelte Bochumer Linksszene.

Warum Politik sich damit befasst?
Ich befasse mich auch mit den Vorgängen in Dahlhausen, weil mir diese linke Heuchelei auf den Keks geht. Aber es gibt auch zwei weitere Gründe:

Das Entstehen einer Parallelgesellschaft ist nicht im gesellschaftlichen Interesse. Das einst von den grünen verfolgte Multi-Kulti-Konzept, jeder schön für sich, ist tot. Man muss auf die Deutsche Türkische Föderation weiter zugehen, damit sie sich nicht abkapselt.

Die Ausgrenzung durch die linksorientierte Vereine wie die IFAK, einem Netzwerk linker und grüner Funktionäre verstärkt den Rückzug in eine solche Parallelwelt, zumindest für den privaten Lebensteil. Ich habe in Dahlhausen mit einem Obsthändler und einem Fliesenleger gesprochen, die sich in ihrem Beruf der Gesamtgellschaft kaum entziehen werden können. Was die IFAK aber da gerade initiiert, ist auch integrationshemmend. Offentsichtlich kann man dort nicht akzeptieren, dass auch anderswo gearbeitet werden muss und wird.

Wofür ich stehe
Da ich mich auf einen Hagel an Kritik und Beschimpfungen aus der linksextremen Ecke freue, hier auch gleich meine politischen Forderungen zum Thema:

  • Konflikte aus anderen Ländern – und sogar Zeiten – haben in Deutschland nichts verloren! Links- wie rechtsorientierte Gruppen türkischer Migranten müssen sich von den Konflikten in ihrem Heimatland lösen. Deutschland ist nicht Vorfeld oder Urlaubsland für Konflikte und „Kämpfer“ aus anderen Ländern. Alles andere ist integrationsschädlich, da es das Zusammenleben stört.
  • Vereine zur Selbsthilfe sind mir lieber als auf dauerhafte Alimentierung mit Steuergeldern angewiesen Sozialarbeiternetzwerke. – Pluralität muss es auch in der Integrationsarbeit geben.
  • Migranten sind Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und tragen diese mit sich. Das Ausleben einer auch türkischen Identität muss möglich sein.  Für übersteigerte Nationalgefühle gilt das nicht, wenn sie das friedliche Zusammenleben gefährden. Das wäre integrationshemmend und auch ansonsten eine Verirrung des Denkens.
  • An der Diffamierung von Personen und Vereinen, die sich allein gegen ihren Erfolg  und ihre Leistungen wendete, beteiligte mich nicht. Leider geschieht dies jetzt in Dahlhausen, wo sich die Deutsche Türkische Föderation ein neues Vereinsheim geschaffen hat. Der Protest dagegen ist unglaubwürdig, denn die Initiatoren müssen sich fragen, warum sie erst jetzt aktiv werden. Für mich ist die Antwort salopp formuliert klar: Weil es an den eigenen Geldbeutel zu gehen scheint.

Eine Lösung der Frontstellung in Dahlhausen zwischen den Vereinen kann ich mir vorstellen, aber das ist schwer zu moderieren. Da wird leider noch Zeit vergehen. Insgesamt sollte alle stärker differenzieren.


Vertiefende Linkliste

Aufruf zu „Rote Karte für Graue Wölfe“ auf der Internetseite des Bochumer „Forums für Antirassismus und Kultur“ oder alternativ BO-Alternativ

Türkische, politische Organisationen in Deutschland – Broschüre der Konrad-Adenauer-Stiftung aus 2002.

Zwei Wikipedia-Artikel
zu „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland

zu „Militärputsch in der Türkei 1980

 


Bild: „Hereingeflattert“ von schiffner / photocase.com

3 Comments

3 Comments

  1. Inan

    21. Mai 2011 at 00:51

    Hallo Herr Schmidt,
    ich kann ihre Meinung nur bestätigen,und danke für ihre objektive Meinung.
    Zusätzlich zur Verstärkung ihrer Meinung möchte ich Ihnen mitteilen das kein türkische MSO (ausser die Marxistische DIDF) die Grauen Wölfe als eine Gefahr für die Gesellschaft sieht. Außerdem möchte ich darauf hinweisen das seit 30 Jahren in Bochum keine einzige Kriminelle handlung auf das Konto der grauen Wölfe geht.

    Mit freundlichem Gruß

    K.

  2. Dirk Schmidt

    23. Mai 2011 at 23:31

    Auf Wunsch blieb der Autor des vorherigen Kommentars anonym. Er befürchtet sonst berufliche Folgen. Aber As heust MSO?

  3. Süleyman

    26. Januar 2013 at 00:52

    Sehr geerhter Herr Schmidt,

    wir, Grauer Wölfe sind immer friedlich gewesen! Ich bin auch ein Mitglied in Mönchengladbach Türksche Kultur Verein und seit knapp 20 Jahre habe ich keinerlei eine Anzeige oder Gewaltätige Aktion erlebt! Damals war ich jünger als 20 j. und Heute bin ich über 35 j. alt und froh eine Mitglied von Grauer Wölfe zu sein! Zusätzlich bedanke ich mich bei Ihnen ganz Herzlich dass Sie so eine faire und Objektive Bericht über die Grauer Wölfe veröffentlich haben.

    Mit freundlichen Grüßen

    26.01.2013

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