Letze Woche bekam ich wieder eines dieser Schreiben vom Evangelischen Arbeitskreis (EAK), die mich ins Grübeln bringen. Die neueste Einladung lässt mich darüber nachdenken, was der Sinn der angekündigten Veranstaltung und dieses Arbeitskreises ist. Ich wurde zur diesjährigen EAK-Wanderung eingeladen, die durch eine „Mittagseinkehr in Bergen und eine Kaffeetafel in Grumme unterbrochen“ werden wird. Es hat mit Karls Carstens mal einen Bundespräsidenten gegeben, der seine Passion für Kontakte und Gespräche zu den Bürgern nutzte. Allerdings reicht mir das Kontakte knüpfen mit anderen evangelischen CDU-Mitgliedern nicht, um eine Veranstaltung attraktiv erscheinen zu lassen. „Ach, Du bist auch evangelischer Christ!“ ist mir zu unwichtig als Erkenntnis. Ich fühle mich in der CDU nicht benachteiligt.
Niedergang des institutonalisierten Katholizismus
Vor etwas 15 Jahren habe ich das manchmal anders empfunden. Es gab keine Diskriminierung evangelischer Christen, aber die Katholiken kannten sich eher und näher. Sie waren besser vernetzt, weil sie bei Kolping, bei der Katholischen Arbeitnehmernschaft, in Katholiken aus Wirtschaft und Verwaltung, in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG), bei den Pfadfindern aktiv waren oder schlicht regelmäßig(er) zur Kirche gingen. Aber das scheint mir weitgehend ein Phänomen der CDU-Generationen jenseits der 60, ja wenn nicht sogar der 70 zu sein. Die Kirchenbindung jüngerer CDU-Mitglieder scheint mir geringer, der Grad kirchlicher Aktivitäten noch einmal deutlich geringer dazu. Die KJG ist längst nicht mehr eine Organisation, in der die Junge Union nach Mitgliedern sucht – zumindest in einer Großstadt. Mit Ausnahme einzelner Personen verschwindet das institutionalisierte katholische Milieu, insbesondere das Umfeld der katholischen Arbeitnehmerschaft. Gemeinden verschwinden, katholische Organisationen schließen sich zusammen – zunächst nur räumlich. Das Überaltern der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) sehe ich spiegelbildlich zur demografischen Entwicklung der Katholischen Arbeitnehmerschaft (KAB).
Säkularisierung der konfessionellen Institutionen
Und somit ist auch ein Sinn verschwunden, den ich früher im EAK gesehen hatte. Für eine Vernetzung evangelischer Christen zu sorgen, um der besseren Vernetzung katholischer Christen etwas entgegenzusetzen, ist kein Bedarf mehr. Die Institution hat ihren ursprünglichen Sinn verloren, existiert aber weiter. Ein Phänomen, das sozioolgisch und politikwissenschaftlich öfter diagnostiziert wird. Verstärkt wird dieser Bedeutungsverlust noch durch zwei weitere Entwicklungen: Im EAK finden sich zum einen mehr und mehr auch katholische Mitglieder. Ich war noch auf Mitgliederversammlungen, auf denen katholischen Mitgliedern des EAK eine Kandidatur zum Vorstand aufgrund ihres Glaubensbekenntnisses mit Hinweis auf die Satzung versagt worden ist. Wenige Jahre später scheint mir, dass das heute nicht mehr passieren würde. Zum anderen finden sich immer mehr evangelische Christen in katholischen Organisationen. War ich vor 10 Jahren noch durch einen Irrtum mal beim katholischen Siedlerverband, einer Unterorganisation eines Familienverbandes, anstatt beim Deutschen Siedlerbund gelandet, bin ich ganz normal angesprochen worden, ob ich nicht Mitglied im Kolpingverband werden wolle. Das habe ich gerne angenommen. Auch spreche ich regelmäßig vor katholischen Organisationen, da sie sich aus ihrem Selbstverständnis heraus mit politischer Erwachsenenbildung befassen. Das habe ich auf evangelischer Seite so nie erfahren. Vielleicht ist man überhaupt froh, wenn einer ab und zu mal zur Kirche geht. Insgesamt ist die Unterscheidung evangelisch oder katholisch mittlerweile unwichtig. Die zunehmende Säkularisierung ist nicht ohne Einfluss auf konfessionell verfasste Organisationen geblieben.
Was vom EAK bleibt
Es bliebe eine inhaltliche Orientierung zum EAK anhand politischer Themen. Wikipedia fasst die Entstehung und Entwicklung des EAK in einem Absatz zusammen:
Innerhalb der Unionsparteien besteht ein strukturelles Übergewicht katholischer Mitglieder. Gerade in den Anfangsjahren der Bundesrepublik spielten konfessionelle Unterschiede noch eine wichtige Rolle. Daher verfolgte der EAK durch seine Arbeit vor allem drei Ziele: Einerseits wollten die evangelischen Unionspolitiker auf protestantische Wähler einwirken und dort die Wahlchancen der Partei verbessern. So sollte insgesamt in der Öffentlichkeit der interkonfessionelle Charakter der Union besser sichtbar werden. Andererseits wurde die Wahrung des konfessionellen Proporzes innerhalb der Unionsparteien verfolgt. Zudem diente die Organisation auch der Selbstvergewisserung der Protestanten in einem überwiegend katholischen Umfeld. Heute sieht der EAK seine Aufgaben darin, Ansprechpartner für die evangelischen Kirchen zu sein und kirchennahen protestantischen Wählern ein Forum zu bieten.
Ich nehme wahr, dass sich in Diskussionsabenden mit ethischen und interkulturellen Themen befasst wird. Wenn es um ungeborenes Leben oder eine Auseinandersetzung mit dem Islam geht, wird man sicher auf eine Diskussionveranstaltung des EAK treffen. Und dann? Nichts. Ich nehme nicht wahr, dass der EAK Ansprechpartner für die evangelischen Kirchen ist. Ich nehme höchstens wahr, dass ein Theologie-Professor, Superintendent oder Pfarrer bei Gelegenheit mal als Referent auftritt. Ich nehme nicht wahr, dass der EAK auf die Kirchen zugeht, wenn es gesellschaftspolitische Angelegenheiten gibt, die ein Zusammenwirken von Politik und Kirche als Institution sinnvoll erscheinen lassen. Und Themen gibt es. Stiller als die katholischen Kirche gibt die evangelische Kirche Gebäude auf. Die Aufgabe von Kirchen ist ein Thema. Vom EAK höre ich nichts. Die evangelische Kirche zieht sich aus Bezuschussung und Trägerschaft von Kindergärten zurück. Der EAK äußert sich nicht dazu. Aufgrund einiger Worte eines CDU-Vorsitzenden beginnt eine Diskussion, ob der katholisches Lebensweg der einzig richtige wäre und ob dies so geäußert werden dürfe. Der EAK schweigt. Forum und Ansprechpartner ist der EAK nicht.
Ohne Fragen hat der EAK noch einen Sinn – einen Sinn als evangelisch geprägter Geselligkeitsverein. Langfristig ist sein Aussterben zu vermuten. Das ist bedauerlich für die, die ihn als Rechtfertigung für ihre eigene politische Stellung benötigen. Sorgen machen mir ab und zu Reaktionen von katholischen Mitgliedern, die zumindest am Stammtisch von der Gründung eines KAK (ausgesprochen mit einem kurzen A) faseln. Eine besonders starke Verankerung dieser in katholischen Institutionen habe ich jedoch nicht wahrgenommen. Ich vermute dahinter immer einen gewissen Neid, dass es den Weg einer katholisch geprägten und allein dadurch gerechtfertigten Politkarriere im Rahmen einer eigenen Sonderorganisation in der CDU nicht gibt. Das ist ein Neid, der auf Pöstchen beschränkt ist, die im Proporz vergeben werden. Die konfessionelle Zugehörigkeit hat auch in der CDU an Bedeutung verloren. Solange in der CDU die übrigen Proporz-Regelungen nicht überhand nehmen, dürfte hier nicht zuviel Motivation zur Gründung einer weiteren Sonderorganisation aufkommen. Und da es sogar Frauen gibt, die sich für die Abschaffung des Frauenquorums (einem anderen Proporz) einsetzen, erkenne ich in der CDU nicht den Wunsch nach mehr Proporzregelungen. Der katholische Angestellte männlichen Geschlechts in einem Alter über 35 und unter 60 Jahren benötigt keinen Proporz. Für die Junge Union ist er zu alt, für die Senioren Union zu jung. Der Frauen Union kann er nicht beitreten, weder CDA, noch Mittelstandsvereinigung sind seine natürliche politische Heimat. Dennoch muss er nicht befürchten, irgendwo ausgegrenzt zu werden.
Und warum sollte ich zu dieser EAK-Veranstaltung gehen? Weil die Leute nett sind. Weil die Veranstaltung nett ist. Allerdings liegt mir das Laufen längerer Strecken nicht und ich bin gerade erst in den Bergen unterwegs gewesen. Also dann auch diesmal ohne mich.