Am Wochenende 2./3. Mai fand in im Radialsystem V in Berlin das politcamp09 statt. Hier trafen Politker und Nerds zusammen. Einige waren auch beides 🙂 Im Sinne der Statement-Kultur, hier ein paar Gedankengänge im Nachgang:
- Wier leben in einer Statement-Kultur. Fürs Fernsehen heißt es: Mach’s in eins-dreißig, auf alles andere sch*** ich. Bei Twitter muss alles in 140 Zeichen gepresst werden. Sonst hilft ggf. nur ein Link – siehe hierzu auch mein Beitrag zu den „10 Geboten des Twitterns„.
Insgesamt war das politcamp’09 sehr Twitter-lastig. Nach – oder besser jetzt mit – den Blogs ist dieser SMS-ähnliche Dienst der nächste Hype in der Entwicklung des Internets. Dabei ist fraglich, ob alle Inhalte im Twitter-Format übertragen werden können. - Fortschrittsglaube und Legitimität. Viele der Teilnehmer halten sich für äußerst fortschrittlich bezogen auf die gesellschaftliche Entwicklung und Nutzung des Internets. Sicher sind sie irgendeine Avantgarde. Fast durchgängig wird jedoch nicht gesehen, das die Twitter-Anwender und Teilnehmer des politcamp09 nicht repräsentativ sind. Klingt hier ein Fortschritts-Glaube links orientierter Politiker durch? Die SPD war mit ca. 75 bekennenden Teilnehmern (bei 617 verkauften Karten) stark vertreten und bei vielen habe ich solche Einstellungen bemerkt. ‚Die Transformation des sozialdemokratischen Fortschrittsglauben oder gesellschaftliche Entwicklung im Internet‘ wäre ein dankbares Thema. Ausgerechnet der Genosse Klaus Lübke war’s dann, der entscheidend die Fragen stellt, wer in einem Plenum mehr als einen Hauptschulabschluss habe und wer jünger als 50 sei. Nur wenige Ausnahmen befanden sich vorort. Da wurde zwar viel gelästert, dass die Wähler der CDU aus dem Altersheim kämen und daher nicht im Netz vertreten seien. Das war ein wenig zu einfach, denn meinen Kenntnissen sind Senioren sehr wohl im Internet vertreten – ggf. nur nicht auf Twitter. Viele im Plenum setzten sich einfach als die ganze Gesellschaft.
- Die Diskussionen führten immer wieder dahin, wie die Politiker endlich bewegt werden können, dass Internet und Web2.0 als bedeutend für Politik zur Kenntnis zu nehmen. Die sich dafür engagierten, wollten eDemocracy. Die Legitmitätsdefizite haben sie einfach mal ausgeblendet. Fundierter waren da dann Überlegungen, die die Schnittstelle zwischen Politik und Internet beschrieben. Meine These lautet: Das Twitter diese verbessert. Allerdings arbeiten politisches und mediales Teilsystem nach anderen Regeln und zeitlichen Abläufen. Einige Sessions griffen diese Unterschiede auf, z.B. mit den Fragen nach Authentizität und Transparenz. Passt das Hinterzimmergespräch zum Medium Blog oder Twitter?
Ich selber bleibe bei folgender These: Politiker nutzen Web2.0, um Medien1.0 zu beeinflussen. Dies ist der soziale Anreiz der eventuell zur Bildung einer Internetdemokratie – zu edemocracy – führt. Nur wenn ein Nutzen für mindestens einen Akteur sofort konkret und greifbar da ist, wird sich das Netz in diese Richtung weiter entwickeln. - Und da hatte ich dann den Eindruck, dass der Hype bei den CDU-Twitterern etwas geringer ist. Ich glaube bei uns fehlt die Utopie einer elektronischen Demokratie, die wir unbedingt vorantreiben müssen für eine besseres Leben oder so. Die kommt halt einfach oder auch nicht. Auf jeden Fall ist sie noch nicht da.
- Weitehrin gab es noch die Möglichkeit, sich zu mehr technischen Aspekten auszustauschen: Einsatz von WordPress, Methoden zum fundraising per Internet, Twitter für Journalisten, Suchmaschinenoptimierung für Politik etc.
Auf so ein camp muss ich nicht jedes Jahr, die Teilnahme hat sich aber gelohnt. Die Nachbearbeitung wird noch etwas dauern.